Das Magdalena-Vermächtnis: Roman
trifft, letztendlich aber triumphiert.
Colombina ließ viel von ihrer Seele in das Geschriebene einfließen und spürte beim Schreiben oft Lorenzos Anwesenheit. An dem Tag, als die Vollendung des gewaltigen Werkes näher rückte, fragte sie den Meister: »Wie wollt Ihr Euer Buch denn nun nennen?«
Der Meister lächelte sie an, und die gekräuselte Narbe auf seiner Wange zuckte. »Es ist nicht mein Buch allein, Colombina. Es gehört uns allen – jedem Großen, der zu seiner Geschichte beigetragen hat. Es gehört jedem Menschen, der sich ihm widmet, der aus ihm lernt und zum Helden seiner eigenen Geschichte wird.« Er dachte einen Moment nach. »Deshalb meine ich, es sollte einen universalen Titel haben, der von der Reise der Menschheit spricht und uns daran erinnert, was wirklich ist und was nicht. Ich dachte an ›Der Kampf der Liebe in einem Traum‹.«
Colombina, die den Kampf um die Bewahrung ihrer wahren Liebe ertragen hatte, nickte zustimmend. »Weil Liebe die einzig wahre Wirklichkeit ist, alles andere nur ein Traum?«
»Ja.« Auch der Meister nickte. »Und weil die Liebe alles besiegt.«
Der Dichterfürst.
Er war mein Freund, er war mein Bruder.
Ich habe die Prophezeiung, seine Prophezeiung, als Allegorie von Venus und Mars gemalt. Dabei standen mir jene beiden Menschen Modell, die Lorenzo am meisten geliebt hat: Colombina und Giuliano.
Der Menschensohn soll wählen, wann die Zeit
für den Dichterfürsten gekommen ist.
Er, der ein Geist von Erde und Wasser ist,
geboren im verzweigten Reich der See-Ziege
und in der Blutlinie der Gesegneten.
Er, der das Feuer des Mars dämmen wird
und das der Venus höher lodern lässt,
um die Anmut über die Gewalt zu stellen,
wird Herz und Geist der Menschen beflügeln
und so den Weg des Dienens erhellen.
Den rechten Weg wird er ihnen weisen,
denn dies ist sein Vermächtnis,
und dass er um eine große Liebe weiß.
Natürlich ist Colombina die Venus, und sie ist erblüht und erhaben in ihrer Schönheit, wie die Prophezeiung es besagt. Mars wird schlafend gezeigt, um zu verdeutlichen, dass sein Feuer gelöscht und dass er gebändigt ist. Zwei der Satyrn, Symbole des Steinbocks, blasen auf Muscheln, womit sie ebenfalls auf die Bändigung des Mars anspielen.
Die Liebe zwischen Mars und Venus ist episch, und es ist zu sehen, dass ihre Anmut über seine Gewalt siegte. Sie hat ihm den rechten Weg gezeigt.
Es ist wirklich eine sehr große Liebe.
Euer ergebener
Alessandro di Filipepi, genannt »Botticelli«
Aus den geheimen Memoiren des Sandro Botticelli
Kapitel fünfunddreißig
Montevecchio
Gegenwart
E s war wie ein Museum: das wunderbarste, ungewöhnlichste Museum, das sie je betreten hatten. Destino und Petra waren geradezu aufgekratzt, als sie den alten Perserteppich zurückschlugen, unter dem sich eine Falltür verbarg. Unter dieser Falltür war eine Treppe oder vielmehr eine Leiter, die sie nacheinander hinunterstiegen.
Das Haus, das früher zum Besitz der Medici gehört hatte, war über einem der Apfelkeller von Montevecchio erbaut worden, ähnlich dem Keller, in dem Cosimo einst Fra Filippo eingesperrt hatte, damit dieser seine ausstehenden Aufträge erfüllte. Destino hatte aus dem Keller eine wahre Schatzgrube gemacht: Seit Jahrhunderten verwahrte er hier Botticelli-Gemälde und Zeichnungen Michelangelos, dazu wertvollen Schmuck und andere Kostbarkeiten, darunter Hunderte von Dokumenten. Es würde Jahre in Anspruch nehmen, sämtliche Gegenstände in diesem Keller zu ordnen, zu katalogisieren und auszuwerten.
»Meine Güte, Destino. Sie müssen sich eine moderne Alarmanlage anschaffen! Diese Sammlung ist unschätzbar wertvoll.«
Destino lachte nur. »Gott ist meine Alarmanlage. Niemand wird mich hier bestehlen. Es ist in fünfhundert Jahren nicht geschehen, und ich glaube nicht, dass es jetzt geschieht. Aber kommen Sie, ich habe Geschenke für alle. Tammy und Roland zuerst.«
Er führte sie in einen Winkel, wo irgendetwas auf dem Boden stand, von einer schweren Decke verhüllt. Destino bedeutete Roland,ihm zu helfen, und gemeinsam zogen sie den Gegenstand unter der Decke hervor. Es war eine handgeschnitzte Wiege, wunderbar fein gearbeitet. An den Ecken war das Magdalenen-Siegel ins Holz geschnitzt.
»Diese Wiege wurde für die Geburt der Mathilde von Canossa gefertigt. Sie wird ein geeigneter Schlafplatz für Ihr kleines Mädchen sein. Sie wird eine Feurige, wie Petra gesagt hat, genau wie unsere Mathilde. Und so wird
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