Das Magdalena-Vermächtnis: Roman
führte die Titel des Herzogs von Lothringen und Anjou, des Grafen der Provence und des Titularkönigs von Neapel und Jerusalem: alles Herrschaftsterritorien, die wertvolle Allianzen darstellten, sollte die Republik Florenz in Krisenzeiten Hilfe brauchen. Besonders die Militärmacht Neapels war für Bündnisse in Italien ausschlaggebend.
René d’Anjous Beiname »guter König René« war ihm jedoch nicht von Italienern, sondern von seinen französischen Landsleuten verliehen worden. Florentiner waren Fremden gegenüber von Natur aus skeptisch eingestellt, und mit besonderem Misstrauen betrachteten sie den gewinnsüchtigen französischen Adel. Dass Neapel in französischer Hand war, schmerzte viele Italiener sehr; dennoch wussten die Florentiner, dass es noch schlimmer kommen konnte, denn das eroberungssüchtige spanische Haus Aragón war ebenfalls an Neapel interessiert. Immerhin war König René ein liebenswürdiger Mann mit Bildung, Geschmack und fortschrittlichen humanistischen Idealen – Eigenschaften, die bei den gebildeten Florentinern in hohem Ansehen standen. Dennoch würde es Diplomatie und Verhandlungsgeschick erfordern, den titelverwöhnten Aristokraten zu beeinflussen.
Während die Signoria die politischen Vor- und Nachteile einer Allianz mit dem guten König René erörterte, wurde tief in die Staatskasse gegriffen, um dem Gast einen prächtigen Empfang zu bereiten, wie er der Republik Florenz würdig war. Cosimo de’ Medici verfolgte die Vorbereitungen aufmerksam, beteiligte sich jedoch kaum an den öffentlichen und politischen Machenschaften. Er war der mächtigste und einflussreichste Mann der florentinischen Republik, doch sein Interesse an René d’Anjou war rein persönlich – und streng geheim. Was immer bei dem politischen Imponiergehabe der nächsten Wochen herauskam, Cosimo wusste, dass René ihn nie im Stich lassen würde, wenn er ihn wirklich brauchte. Dies würde ihre heutige Begegnung zeigen, die auf dem Landsitz der Medici, der Villa Careggi, stattfinden sollte, fernab der neugierigen Blicke der Stadt. Erst in zehn Tagen sollte König René offiziell in Florenz Einzug halten; heute war er in Verkleidung und geheimer Mission gekommen. Es war ein Besuch, von dem die Florentiner Bürger nichts wussten, eine Begegnung weniger Auserwählter in den alten Mauern von Cosimos vornehmem Refugium auf dem Lande.
»Cousin! Welch eine Freude, dich wiederzusehen.« Der adelige Franzose, für sein herzliches Wesen bekannt, umarmte Cosimo, sobald die Tür sich hinter ihnen geschlossen hatte.
Cosimo schmunzelte vor Freude, dass René den familiären Gruß benutzt hatte, und erwiderte ihn. »Die Freude ist ganz auf meiner Seite, Cousin. Ich danke dir für dein Kommen.«
Hätte ein Florentiner diese Begegnung zufällig miterlebt, wäre er verblüfft gewesen. René d’Anjou war von höchstem französischem Geblüt. Er stammte von den zwei reinsten Blutlinien Europas ab, der französischen Dynastie Angevin und dem spanischen Haus Aragón, und war Träger vieler ererbter Titel. Cosimo de’ Medici hingegen war ein einfacher Bürger, zwar einer derwohlhabendsten und einflussreichsten Europas, aber dennoch nur ein Kaufmann. Wie ein Fürst von hohem Geblüt dazu kam, einen italienischen Bankier seinen Cousin zu nennen, war ein Geheimnis, das teurer wog als Gold: ein Geheimnis auf Leben und Tod für alle, die darin eingeweiht waren.
René berichtete von seiner Reise, während Cosimo ihn in sein elegantes studiolo führte. Der Zutritt zu seinem privaten Arbeitszimmer war nur seinen engsten Freunden und Familienangehörigen gestattet. Wie es in vielen wohlhabenden Florentiner Familien Tradition war, hatten nicht einmal die Ehefrauen Zutritt. Cosimo hatte diese Tradition in seiner langen Ehe aufrechterhalten, und seine tiefsten Geheimnisse waren in diesen vier Wänden wohlgehütet.
»Ich komme soeben von Santo Sepolcro. Wie man mir sagte, hast du dir nun das ganze Gebiet gesichert?«
Cosimo nickte. Er hatte Borgo Santo Sepolcro gekauft, um es dem Florentiner Besitz in der Toskana zuzuschlagen, doch er hatte den Kauf mit Geld der Medici getätigt. Seine Gründe waren nicht nur strategischer Natur – zum Wohle der Stadt –, sondern auch persönlich: Santo Sepolcro, im zehnten Jahrhundert gegründet, war für die Medici geheiligter Boden, da er seit fünfhundert Jahren Wohnsitz der Magi war.
»Wie geht es unserem geliebten Meister? Ist er schon auf dem Weg?«, erkundigte sich Cosimo.
»Fra Francesco ist
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