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Das Magdalena-Vermächtnis: Roman

Das Magdalena-Vermächtnis: Roman

Titel: Das Magdalena-Vermächtnis: Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kathleen McGowan
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das nächste Kind der Prophezeiung – der Dichterfürst, der die Menschheit in das neue Zeitalter der Aufklärung führen würde – das Kind von Cosimos ältestem Sohn Piero sein sollte. Renés und Cosimos Aufgabe bestand nun darin, die passende »Maria« für Piero zu finden: die Ehefrau, die sein Kind austragen und in angemessener Weise auf sein Schicksal vorbereiten sollte.
    »Dein Enkel muss von unserem Meister ebenso sorgfältig unterrichtet werden wie wir – und besser. Wir müssen aus unseren Fehlern lernen.«
    Cosimo nickte. »Welchen Rat du uns auch gibst, während wir dieses Kind auf sein Schicksal vorbereiten, er wird uns höchst willkommen sein.«
    René hatte auf der Reise von Santo Sepolcro nach Florenz gründlich nachgedacht. Als der Meister ihm mitgeteilt hatte, dass in der Familie der Medici ein neuer Dichterfürst das Licht der Welt erblicken würde, wusste er, dass die Zeit gekommen war, den Mantel weiterzugeben, den er so viele Jahre getragen hatte. Er war froh, die Bürde endlich ablegen zu können. René fühlte sich bisweilen alt und gebeugt von seinem Erbe. Die Last war ihm zu schwer geworden. Zwar waren ihm die Segnungen eines privilegierten Lebens zuteil geworden, doch auch von Katastrophen war er nicht verschont geblieben. Vor allem eine Tragödie verfolgte ihn an jedem Tag seines Lebens.
    Jeanne.
    Seit dem schrecklichen Tag ihrer Hinrichtung vor nunmehr elf Jahren war sie immer berühmter geworden und heute unter vielen Namen bekannt. Sie war die Jungfrau von Orléans, sie war Jeanne d’Arc; selbst die Engländer schlugen das Kreuz, wenn sie von der Joan of Arc und Tochter Gottes sprachen. Man munkelte, die Kirche habe einen furchtbaren Fehler begangen, diese junge Frau als Ketzerin zu verbrennen.
    Für König René war Jeanne noch viel mehr gewesen: seine spirituelle Schwester, Schützling seiner Familie, die Verheißene, die Hoffnung Frankreichs … und nicht zuletzt ein Mensch, den er bitter enttäuscht hatte. Dass er Jeanne am Ende nicht hatte beschützen können, war nicht sein Fehler. Dass er aber gar nicht erst den Mut dazu besessen hatte, war unverzeihlich und der Grund dafür, dass er sich nun selbst verachtete. Seit jenem verfluchten Tag im Mai 1431, als Jeanne auf dem Scheiterhaufen brennen musste, weil sie die Stimmen von Heiligen und Engeln vernahm, quälte ihn in schlaflosen Nächten der Gedanke an Jeannes Schicksal.
    Wenn René ehrlich zu sich selbst war – und zu Gott und den Mitbrüdern des Ordens –, musste er gestehen, dass er egoistisch gewesen war und seinem Hang zur Bequemlichkeit nachgegeben hatte. Schließlich war er erst zweiundzwanzig gewesen, drei Jahre älter als Jeanne – zu jung, um eine so schwere Last zu tragen. Er war nicht bereit gewesen, seinen Besitz und seine Stellung zu riskieren, um jenes Mädchen zu retten, das er mehr liebte als eine Schwester. René wusste, dass sie als Tochter Gottes empfangen und erzogen worden war – und doch hatte er tatenlos zugeschaut, wie sie starb, als sie ihn am meisten brauchte.
    Nun verbrachte René jeden Tag seines Leben in einer selbst auferlegten Hölle – eine Hölle, wie er sie dem unschuldigen Kind, das laut der Prophezeiung geboren werden sollte, um jeden Preis ersparen wollte.
    Er räusperte sich. »Sag deinem künftigen Enkel … dass er den Mut von zehntausend Löwen haben muss und dass er vor allem nicht die Drohungen Roms fürchten darf. Wir müssen dieEngel und die Unschuldigen verteidigen, so hoch der Preis auch sein mag.« Er schwieg einen Moment, erneut überwältigt von der Erinnerung an sein Versagen. »Die Magi haben ja geweissagt, dass nun, da die Zeit wiederkehrt, mehr Himmlische und besondere Menschen auf die Welt kommen werden. Man muss sie beschützen. Dein junger Dichter wird ihr geborener Anführer sein. Nie darf er in seinen Entscheidungen wanken, denn ein falscher Schritt kann alles zunichtemachen, was in Gottes höchstem Plan enthalten ist. Ich habe es erlebt. ›Gott schenkt uns den Entwurf unseres Schicksals …‹«
    »›… und den freien Willen, dieses Schicksal zu erfüllen – oder nicht‹«, beendete Cosimo den Satz, ein Dogma der Ordenslehre.
    Während sein alter Freund sprach, hörte Cosimo zu und vertraute alles seinem scharfen Gedächtnis an. Er sah die tiefen Linien, die sich in Renés Antlitz gegraben hatten, das vorher nur Lachen und Frohsinn gekannt hatte. Doch elf Jahre schrecklicher Reue hatten ihn vor der Zeit altern lassen.
    »Ich bin unter dem Druck der

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