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Das Magdalena-Vermächtnis: Roman

Das Magdalena-Vermächtnis: Roman

Titel: Das Magdalena-Vermächtnis: Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kathleen McGowan
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mindern wir seine Bedeutung. Aber so geht es nun mal zu auf der Welt. Deshalb sind wir als Mäzene angehalten, mit gutem Beispiel voranzugehen. Würde Dante heute noch unter uns weilen – er würde gewiss einen ganz besonderen Höllenkreis erfinden für alle, die einen Künstler um seinen Lohn betrügen.«
    Cosimo bemerkte, wie Lorenzos scharfer Verstand das Gesagte gleichsam aufsog. Dem Knaben entging nichts.
    »Und so gab Donatello vor, er wolle die Büste im Licht betrachten, um die Fehler zu prüfen, die der Mann angeblich festgestellt hatte.« Cosimo erlaubte sich ein herzhaftes Lachen, bevor er zum Schluss der Anekdote kam. »Die Büste wurde also zur Prüfung auf den Balkon gebracht. Donatello zog sie bis zur Brüstung, weil das Licht, wie er behauptete, dort am besten sei … und dann kippte er seine Skulptur einfach über die Brüstung und schaute seelenruhig zu, wie sie in tausend Stücke zersprang! Danach wandte er sich an den unglücklichen Auftraggeber und sagte: ›Ich sehe mein Werk lieber zerschmettert als im Besitz eines Schweinehunds, der es nicht verdient.‹«
    Lorenzo stimmte in Cosimos herzhaftes Lachen ein.
    »Nun will der Mann sein Geld zurück. Natürlich werde ich es ihm geben, um Donatello zu schützen und vor der Kerkerhaft im Bargello zu bewahren. Aber eines stimmt schon: Er machtsich zu schnell Feinde. Sobald ich den Auftritt vor dem Stadtrat hinter mir habe, werde ich ihm einen Besuch abstatten und ihn bitten, sich wenigstens eine Zeit lang zu benehmen, bevor er unser Bankhaus mit Entschädigungszahlungen in den Ruin treibt.«
    Sie machten sich auf den Weg zum Palazzo Vecchio, wobei der Großvater seinem Enkel weitere Anekdoten über Donatello erzählte und erklärte, warum der heutige Tag so wichtig war. Mehrere zornige Auftraggeber des Künstlers hatten sich zusammengeschlossen, um offiziell Klage gegen ihn zu erheben. Diese abzuweisen, würde Cosimos ganzes diplomatisches Geschick erfordern.
    »Aber ich verstehe nicht, warum sie ihn anklagen, Großvater.«
    Cosimo bedachte seine Antwort sorgfältig. Er hatte darauf bestanden, dass Lorenzo, so jung er auch war, ihn heute begleitete. Der Junge sollte erleben, wie wichtig es war, für die Wahrheit einzutreten, auch wenn man sich damit unbeliebt machte. Der Fall Donatello war natürlich heikel für einen Knaben, und doch würde Lorenzo begreifen, um was es ging, denn sein Verständnis reichte weit über seine Jahre hinaus.
    »Donatello mag schöne junge Männer. Sie beflügeln sein künstlerisches Talent, wie man an unserem David sehen kann.«
    Lorenzo nickte. Donatellos bronzener ›David‹ war das Herzstück des Innenhofes im Palazzo der Medici in der Via Larga. Er wurde einstimmig als Meisterwerk betrachtet. Eine wunderschöne und zugleich gewagte Skulptur, denn sie war seit der Antike die erste Vollansicht eines nackten Menschen.
    »Nun, es gibt Männer in der Signoria, engstirnige und gehässige Männer, die unseren ›David‹ nicht zu schätzen wissen oder es verachtenswert finden, dass Donatello von Männern inspiriert wird. Denn wir, mein Junge, haben David als Motiv ausgewählt, weil er der Hirte ist, der das Korrupte und Hochmütige gegen alle Widerstände besiegt. Und genau das müssen auch wir heute tun: den Reinen gegen die verteidigen, die ihn mit ihrer Macht zu vernichten suchen.«
    Cosimo, in Florenz für seine Gelassenheit bekannt, war beim einfachen Volk wie auch beim Adel beliebt. Die meisten Stadtherren der Signoria hatten Respekt vor seinem Einfluss und seiner Klugheit. Zwar musste Cosimo die Tagesordnung der Sitzung respektieren, doch er konnte rasch das Wort ergreifen und die Ratsherren auf das Thema bringen, das ihm am Herzen lag.
    Nacheinander brachten die Männer ihre Anklagen gegen den Bildhauer Donatello vor, der bezeichnenderweise nicht anwesend war. Auch das gehörte zu Cosimos genialer Strategie, denn die Anwesenheit des Künstlers im Ratssaal wäre verheerend gewesen. Cosimo lauschte angewidert, aber geduldig den Klagen. Alle betonten Donatellos Sittenlosigkeit, die in der Republik Florenz ein schlechtes Beispiel gebe. Indem der Künstler seine Homosexualität derart offen zeige, würde er andere dazu ermutigen, ebenfalls Sodomiten zu werden. Die Ankläger wussten, dass moralische Vorwürfe am ehesten zu einem harten Urteilsspruch führen würden.
    Dann erhob sich Cosimo und wandte sich an die Signoria. Man rechnete mit einer gemäßigten Rede. Doch an jenem Tag überraschte Cosimo de’ Medici die

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