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Das Magdalena-Vermächtnis: Roman

Das Magdalena-Vermächtnis: Roman

Titel: Das Magdalena-Vermächtnis: Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kathleen McGowan
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Sohn Gottes Schmerzen zuzufügen.
    Und als wäre dies nicht schon Verbrechen genug, durchbohrte jener Zenturio mit seiner Lanze die Seite unseres Herrn in dessen Todesstunde.
    Der Himmel verdunkelte sich in dem Augenblick, da Jesus diese Welt verließ, um in das Reich des Todes hinabzusteigen, und es heißt, dass just in diesem Moment Gott der Herr zu dem Zenturio sprach:
    »Gaius Longinus, du hast dich mit deinen bösen Taten an mir und allen Menschen reinen Herzens vergangen. Deine Strafe soll die ewige Verdammnis sein, doch wirst du sie auf Erden ertragen. Du sollst auf der Erde wandern, ohne den Segen des Todes empfangen zu können, auf dass dich jede Nacht, da du dich zur Ruhe legst, die Schrecken und Schmerzen deines schändlichen Tuns heimsuchen. Diese Folter sollst du bis zum Ende aller Zeiten ertragen, es sei denn, du tust angemessen Buße, um deine Seele im Namen meines Sohnes Jesus Christus reinzuwaschen.«
    Zu jener Zeit jedoch war Longinus blind für die Wahrheit. Er war ein Mann voller Grausamkeit, bar jeder Aussicht auf Erlösung. Doch es kam die Zeit, da ihn seine ewige Strafe, durch eine irdische Hölle zu wandern, in den Wahnsinn trieb. So suchte er unsere gute Frau Maria Magdalena in Gallien auf, um sie um Vergebung für seine Missetaten anzuflehen. Maria Magdalena verzieh ihm nicht bloß, sie wies ihn sogar in die Lehren des Weges ein wie jeden anderen ihrer Jünger.
    Was aus Gaius Longinus wurde, weiß man nicht. Er verschwand aus den Schriften Roms und denen der ersten Jünger. So ist nicht bekannt, ob er jemals wirklich bereut und ein gerechter Gott seine Strafeaufgehoben hat, oder ob er immer noch auf Erden wandelt, verloren in ewiger Verdammnis.
     
    Die Legende von Longinus dem Zenturio,
    wie sie im Libro Rosso bewahrt worden ist
     
    Es war eine eindringliche Legende, die umso erstaunlicher war, als der alte Mann, den sie als »Destino« kannten, behauptete, ebenjener Longinus zu sein und damit ein lebender Zeuge der Geschichte der letzten zweitausend Jahre. Zwar habe Maria Magdalena ihm vergeben, sagte er, doch nur die Vergebung Gottes könne ihn von seinem schrecklichen Fluch erlösen. Destino wurde Meister des Ordens vom Heiligen Grab an dem Tag, als er Maria Magdalena schwor, er werde sein Leben der Lehre des Weges der Liebe weihen. Dies war seine Buße, und sie sollte zweitausend Jahre währen. Destino sprach von Mathilde von Canossa, die vor tausend Jahren gelebt hatte, als wäre sie eine Frau, die ihm erst gestern begegnet wäre. Und oft sprach er voller Ehrerbietung von der verehrten Maria Magdalena.
    War Destino tatsächlich der ewige Wanderer, der den gekreuzigten Jesus mit seiner Lanze durchbohrt hatte und dafür von Gott verflucht worden war?, fragte sich Tammy. Oder war er bloß ein Spinner mit einem außergewöhnlichen Talent für das Geschichtenerzählen? Tammy war hin und her gerissen. Manchmal war sie überzeugt, dass der alte Mann die Wahrheit sprach; dann aber tat oder sagte er etwas, das wieder Zweifel in ihr weckte.
    Wie der römische Zenturio, der Jesus gegeißelt hatte, hatte auch Destino eine scheußliche Zickzacknarbe im Gesicht. Tammy hatte das Bild des narbengesichtigen Mannes durch die Jahrhunderte verfolgt und in Kunst und Literatur viele Hinweise gefunden – Hinweise, die zumindest interessant, wenn nicht sogar überzeugend erschienen. Natürlich gab es plausiblere Erklärungen als Unsterblichkeit: Vielleicht war es purer Zufall, dass alle diese Männer Narben hatten, oder es war die Ausprägung eines Kultes, oder es gabeinen rituellen Grund für die sogenannten Meister des Ordens, sich diese Narbe zuzufügen.
    Tammy fand, dass ihr als Regisseurin eine neutrale Position zukam. Sie sollte einfach Destino sprechen lassen und es den Zuschauern überlassen, sich eine eigene Meinung zu bilden. Je länger sie an das Projekt dachte, desto aufgeregter wurde sie. Und nun hatte Destino sie zu allem Überfluss auch noch nach Florenz eingeladen! Er hatte versprochen, Maureen und ihre Freunde in die tiefsten Geheimnisse der Renaissance und die verborgenen Legenden einzuweihen, die sich hinter den berühmtesten Kunstwerken verbargen. Damit würde der alte Mann ein für alle Mal beweisen, dass er tatsächlich der war, der zu sein er vorgab.
    Tammy legte ihr Exemplar des Libro Rosso beiseite und nahm das Büchlein eines englischen Gelehrten aus dem neunzehnten Jahrhundert zur Hand, das Botticelli zum Thema hatte. Tammy hatte es in einem Karton in der Bibliothek des Châteaus

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