Das Magische Labyrinth
perverser Nostalgie. Möglicherweise spielten auch einige Schuldgefühle dabei mit. Vielleicht fühlten sie sich für das, was in Parolando mit ihm passiert war, verantwortlich. Das brauchten sie natürlich nicht, denn schließlich hatte Clemens sein Bestes getan, um ihn, bevor ihm etwas zustieß, zum Verlassen des Staates zu bewegen.
In kurzen Worten erzählten sie ihm, was seit ihrer letzten Begegnung geschehen war. Auch Göring schilderte ihnen seine bisherigen Lebenserfahrungen.
Schließlich begaben sie sich in den Großen Salon hinab, tranken ein Glas und stellten ihn verschiedenen Berühmtheiten vor. Dann ließ Clemens Cyrano de Bergerac holen, der auf dem Flugdeck Fechtübungen abgehalten hatte.
Der Franzose erinnerte sich zwar an Göring, aber nicht sonderlich gut. Clemens erzählte noch einmal, was Hermann getan hatte, und daraufhin erinnerte de Bergerac sich an seine Predigt in Parolando.
Die Zeit hatte in Clemens und de Bergerac einige Veränderungen hervorgerufen, fand Hermann. Der Amerikaner schien seinen großen Widerwillen gegen den Franzosen abgebaut und ihm die Tatsache, daß er ihm seine Frau Olivia abspenstig gemacht hatte, verziehen zu haben. Die beiden schienen sich überaus gut miteinander zu verstehen. Sie plauderten angeregt, rissen Witze und lachten.
Schließlich aber kam der Punkt, an dem der Spaß sein Ende nahm. Hermann sagte: »Ich nehme an, ihr habt davon gehört, daß König John mit seinem Schiff vor drei Monaten nach Aglejo gekommen ist und nun direkt hinter der Flußverengung an der Westseite des Sees auf euch wartet?«
Clemens stieß einen Fluch aus und erwiderte: »Uns war klar, daß sich der Abstand zwischen ihm und uns ständig verringert, aber daß er seine Fahrt unterbrochen hat – nein, das war uns nicht bekannt!«
Hermann beschrieb, was sich seit dem Tag, an dem er an Bord der Rex gegangen war, ereignet hatte.
»La Viro hofft immer noch, daß ihr fähig seid, einander zu vergeben. Er meint, daß es nach dieser langen Zeit doch an sich unwichtig geworden ist, wer mit der Sache angefangen hat, und…«
Clemens’ Gesicht rötete sich. Er sah grimmig drein.
»Der Saftsack hat vielleicht gut reden!« sagte er laut. »Nun, von mir aus kann er bis zum Jüngsten Tag von Vergebung predigen – ich werde ihn nicht davon abhalten! Eine Predigt tut schließlich keinem weh und ist oft sogar äußerst wohltuend, wenn man ein Nickerchen machen will. Aber ich habe nicht all die Widrigkeiten, Kopfschmerzen, Treulosigkeiten und Kümmernisse in Kauf genommen, nur um John das Köpfchen zu streicheln, ihm zu sagen, welch netter Kerl er doch unter all seiner Heimtücke ist, ihn zu küssen und seiner Wege ziehen zu lassen.
Ach, was hast du doch geschuftet, um mir mein Schiff zu stehlen und es anschließend davor zu bewahren, in die Hände diebischer Halunken zu fallen, die alles getan haben, um es dir wieder wegzunehmen. Zum Teufel, John, ich habe dich zwar verabscheut, geschmäht und gehaßt, aber das ist so lange her. Laß dich zur Brust nehmen und ans Herz drücken. Ich trage dir nichts mehr nach, denn ich bin eben ein weichherziger Tölpel.
Den Teufel werd ich tun!« brüllte Clemens. »Ich werde sein Schiff – das Schiff, das ich einst über alles geliebt habe – versenken! Ich will es gar nicht wiederhaben! Er hat es entehrt, wertlos gemacht, verkommen lassen, beschmutzt! Ich werde es versenken, vom Angesicht dieser Welt verschwinden lassen. Und auf irgendeine Art und Weise werde ich diesen Planeten auch von John Ohneland befreien. Wenn ich mit ihm fertig bin, wird man ihn nur noch John Ohneleben nennen!«
»Wir hatten gehofft«, sagte Hermann traurig, »daß der Haß zwischen euch nach all diesen Jahren – nach zwei Generationen, wie man früher gesagt hätte – abgekühlt, vielleicht sogar erloschen wäre. Daß…«
»Nun, sicher, das war er auch«, sagte Clemens mit einem sarkastischen Tonfall. »Es hat in der Vergangenheit Minuten, Tage, Wochen, sogar Monate und hin und wieder ein Jahr gegeben, wo ich nicht einmal an John dachte. Aber jedes Mal, wenn ich dieser endlosen Reise auf dem Fluß müde wurde, wenn ich mich danach sehnte, an Land zu gehen, dort zu bleiben und die Schaufelräder und das tägliche Einerlei aus meinen Gedanken zu verbannen; wenn mir das dreimal tägliche Anhalten an einem Gralstein, um die Gräle und den Batacitor neu aufzuladen, zum Halse heraushing, ich Streitigkeiten zu schlichten und mich um immer den gleichen Verwaltungsscheiß zu kümmern
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