Das magische Land 1 - Der Orden der Rose
keinen Zweifel daran.
Es war weitaus mehr an dieser Falle, als Gereint gedacht hatte. Selbst als er den Jäger gestellt hatte, war er in die Schlinge getreten, und nun konnte er den Mann nicht loswerden, ohne Argwohn zu erwecken. Er konnte nur eine unbekümmerte Miene vortäuschen und nach Zeichen des Verrats Ausschau halten. Wenigstens war dies nur ein Magier, dachte er, und kein Trupp Soldaten. Magie konnte er mit Averils Hilfe nutzen — anders als Waffen, mit denen er wegen seiner mangelnden Geschicklichkeit nicht viel anfangen konnte.
Während des Reitens sammelte er so viel Magie, wie er konnte, sorgsam bemüht, es niemanden merken zu lassen. Die Erde war seltsam trüb und stumpf, aber es war noch Macht darin. Er sog so viel davon in sich auf, wie er sich traute, und bewahrte sie in seinem Inneren, wie ein Schwert in der Scheide.
Er hatte die vage Ahnung, dass dies gefährlich werden konnte. Wenn Averils Bewusstsein ihn losließ oder er die Kontrolle verlor, würde all die angehäufte Magie in einem Feuersturm explodieren.
Das Risiko musste er in Kauf nehmen. Averil mochte glauben, sie könnte unentdeckt nach Fontevrai reiten, ihren Vater aufsuchen, sich dem König vorstellen und unversehrt ihren Weg gehen, aber Gereint war nicht annähernd so zuversichtlich. Mochte sie auch behaupten, sich der Gefahr bewusst zu sein, so konnte es sein, dass sie erneut von derselben Blindheit geschlagen war, durch die sie und ihresgleichen zu einer leichten Beute wurden. Vielleicht war Gereint ja auch selbst von einer schrecklichen Gefahr bedroht, die er nicht sehen konnte. Er musste wachsam sein und warten und seine Ängste für sich behalten, in der Hoffnung, dass sie sich als unbegründet erwiesen.
Kurz vor Mittag zogen Wolken auf, und der Himmel verdunkelte sich. Sie folgten der Straße, die um die Stadt mit ihrem hohen Kirchturm führte, und rasteten, um ihre Pferde trinken und grasen zu lassen. Messire Denis nutzte die Gelegenheit für ein kleines Schläfchen. Seine Arglosigkeit machte Gereint noch misstrauischer als zuvor.
Unter dem Vorwand, Brot und Käse aus ihrem verzauberten Vorratssack zu verteilen, schlich Gereint zu Averil und hauchte kaum hörbar: »Kommt, wir lassen ihn einfach hier. Er ist mir so unheimlich, dass ich eine Gänsehaut kriege.«
»Er wird uns nur verfolgen«, sagte sie ebenso leise und brach sich ein Stück Brot ab. »Mir ist es lieber, wenn ich ihn im Auge habe.«
»Damit er uns verzaubern kann?«, fragte Gereint.
»Wir sind auf der Hut«, erwiderte sie und nahm einen Bissen von dem herzhaften dunklen Brot.
»Wird das ausreichen?«
Sie drückte ihm ein Stück Käse in die Hand. »Es muss reichen«, sagte sie. »Und jetzt iss. Du brauchst Kraft.«
In bestimmten Augenblicken, so wie diesen, erinnerte Averil ihn allzu lebhaft an seine Mutter. Zu seiner Überraschung spürte er plötzlich einen Anflug von Heimweh: eine Krankheit, die ihn sehr selten plagte. Seiner gefährlichen Unwissenheit zum Trotz, wäre er in diesem Moment lieber auf dem Bauernhof in Remy gewesen als auf dieser Straße, unterwegs nach Gott weiß wohin. Er rief sich zur Ordnung. Wenn Averil Recht hatte, war ihr Leben nicht in Gefahr — ob dies auch für ihre Seele galt, blieb dahingestellt. Sie wusste, was sie zu tun hatte. Mit seiner Hilfe, mochte es ihr gelingen.
Es würde ihr gelingen. Er musste daran glauben. Er versuchte, Geist und Körper zu beruhigen, und würgte seine Essensration hinunter, denn er brauchte in der Tat Kraft.
Als sie ihren Rastplatz verließen, war Messire Denis noch immer an ihrer Seite. Er hatte nichts gegessen und nahm nichts von ihrem Proviant an, aber er trank ein bisschen aus dem Bach.
Fasten war ein heiliges Opfer. Heilige praktizierten es. Aber auch Sünder übten sich darin, um Absolution zu erhalten.
Alles war suspekt in diesen Tagen. Wenn Gereint nicht aufpasste, würde er auf gar nichts mehr vertrauen; dann würde er anfangen, mit Schatten zu kämpfen. Besser verrückt als tot, würden manche Leute sagen. Er war so wachsam, wie er konnte. Er ritt als Letzter, Averil an der Spitze, und zusammen behielten sie ihren Begleiter im Auge.
Nach einer guten Stunde kam Wind auf. Sie waren an einer weiteren Stadt vorbeigekommen, deren Gebäude sich eng um die Ruinen eines Rosenordenshauses drängten. Jenseits der Stadt befand sich ein Schrein der Zwölf Paladine. Es war ein seltsamer Ort, auf eigentümliche Weise heidnisch. Zwölf uralte, verkrüppelte Bäume standen im Kreis um eine
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