Das magische Land 1 - Der Orden der Rose
Fontevrai. Wohin du, verehrter Postulant, geschickt wirst, weil niemand hier die Geduld aufbringt, sich um dich zu kümmern.«
Gereint war wach. Auch er war nicht glücklich über den neuen Befehl. »Ich reise nach Fontevrai?«
»Ja, Messire Ahnungslos, du reist nach Fontevrai.« Gilles warf ihm die Stiefel zu. »Beeil dich, sonst verpasst du das Frühstück.«
Gereint zog sich Kleidungsstücke an, wie er sie noch nie getragen hatte: enge, lederne Reithosen und ein eng anliegendes Leinenhemd sowie eine Lederjacke mit der blutroten Rose auf der Brust. Alles passte gut, auch die Stiefel. Er .erhielt außerdem einen Gürtel und ein langes Messer, aber kein Schwert. Postulanten war der Umgang mit Waffen nur in den Übungsstunden erlaubt. Er befestigte das Messer an seinem Gürtel und versuchte, sich nicht wie ein Idiot zu fühlen, als er mit seinen neuen Stiefeln steifbeinig von dannen zog. Der Geruch der Luft verriet ihm, dass es noch sehr früh war — bis zur Morgendämmerung würde es noch eine ganze Weile dauern —, aber die Köche waren längst aufgestanden. Das Brot im Refektorium war noch warm. Dazu gab es Gerstengrütze und eine Tasse Milch mit Honig und einem Schuss Wein. Für diesen Ort war es ein Festessen. Er war der Einzige, der es genoss; er aß hastig, hin- und hergerissen zwischen Vorfreude und Beklommenheit. Hatte er irgendetwas getan, weswegen man ihn fortschickte?
Gilles verließ ihn ohne ein Wort des Abschieds. Er konnte nicht sagen, dass es ihn traurig stimmte. Gilles hatte seinen Nutzen, aber er war alles andere als ein Freund.
Gerade als Gereint den letzten Schluck Milch hinunterschluckte, kam ein neuer Novize, um ihn zu holen. Seine Laune besserte sich ungemein, als er sah, wer es war. »Ademar! Kommst du auch mit?«
Ademar seufzte tief, aber Gereint spürte seine Heiterkeit. »Ich bin immer unterwegs. Anscheinend glaubt man, dass meine Gabe in unablässigem Reisen besteht. Ich bin ein Magier der Landstraße.«
Gereint lachte. »Ich freue mich, dich zu sehen«, sagte er.
»Oh«, sagte Ademar. »Nun, du wirst die Reise ein wenig erträglicher machen, nehme ich an. Mauritius kommt auch mit.«
Gereints Herz machte einen Satz, aber er sagte: »Sei ehrlich. Warum schickt man mich fort?«
»Man schickt dich nicht fort«, sagte Ademar. »Man schickt dich weiter. Das passiert vielen von uns. Sankt Emile ist klein und nicht ausgestattet für die Erziehung eines Magiers mit deinen besonderen Fähigkeiten.«
»Oder in Ermangelung derselben«, murmelte Gereint.
Ademar zog entrüstet die Brauen hoch. »Glaub mir, die anderen Postulanten sind grün vor Neid. Sie müssen in diesem Provinznest ausharren. Du wirst ins Zentrum des Ganzen geschickt. Selbst ein paar von den Novizen würden dir am liebsten ein Messer zwischen die Rippen jagen, dann ein Trugbild erschaffen und mit deinem Gesicht von dannen ziehen.«
»Das könnten sie tun?«
»Spielt mir nicht den Bauerntölpel vor, Messire«, sagte Ademar. »Ich sehe, was dahintersteckt.« »Aber können sie wirklich —«
Ademar verdrehte die Augen angesichts seiner Sturheit, gab ihm jedoch die Antwort, nach der er suchte. »Sie sollen es nicht tun. Das heißt aber nicht, dass sie es nicht tun würden.«
»Dann muss ich jetzt also auf der Hut sein«, sagte Gereint.
»Du solltest immer auf der Hut sein«, erwiderte Adernar.
»Du bist nicht mehr im Kuhstall deiner Mutter. Dies ist eine gefährliche Welt.«
»Du meinst«, sagte Gereint, »dass ich die gefährlichste Sache in meiner alten Welt war. Und jetzt gibt es Dinge, die gefährlicher sind als ich.« »So könnte man es ausdrücken«, sagte Ademar. »Jetzt aber schnell, sonst reiten sie ohne uns los.«
Gereint war nicht der einzige Grund für den Ritt nach Fontevrai. Es gab Botschaften für das Mutterhaus sowie den Zehnten von den Ländereien des Ordenshauses. Die Karawane bestand insgesamt aus zwei Rittern, vier Knappen, vier Novizen und einem Postulanten.
Gereint wurde die Obhut über die Pferde und Maultiere übertragen. Er freute sich über die Aufgabe; sie hielt ihn davon ab, über das Ziel der Reise und über das, was aus ihm werden würde, nachzudenken.
Die Reise verlief einigermaßen ruhig an allen fünf Tagen. Die Nächte verbrachten sie in Häusern des Ordens, wo sie sich in die gewohnten Riten und Offizien einfügten, als wären sie schon immer dort gewesen. Was Ademar im Haus von Gereints Mutter gesagt hatte, stimmte: Ein Ritterhaus war wie das andere.
Und dennoch waren sie alle
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