Das magische Land 1 - Der Orden der Rose
schlimmer sein als das hier. Darauf musste er sich gefasst machen. Dort würden Lehrer sein, Lehrmeister, die ihm geben würden, was er brauchte —, aber zuerst musste er seine Ankunft überleben.
Es ging ihm etwas besser. Im Geist beendete er die Abendoffizien; daraufließ er die Mitternachtsoffizien folgen.
Die Karawane kam ins Stocken, denn es war das Ende eines langen Frühlingstages, und die Menschen wollten den Markt alle gleichzeitig verlassen, drängten sich in den Straßen und Gassen und versperrten den Weg mit ihren Wagen und Karren. Selbst für einen Rittertrupp gab es kein Durchkommen.
Das Gewühl von Menschen war enervierend, aber die Machtlosigkeit gegen das Gedränge ließ Gereint seltsamerweise wieder zu sich kommen. Es war eine so alltägliche Sache, ein derart profanes Ärgernis. Die Tatsache, dass selbst Ritter im Marktgedränge stecken bleiben konnten, machte das Ganze weniger überwältigend.
Kapitel 9
zwischen der Insel und der Stadt Morency vor den Toren von Fontevrai lagen ganze zehn Tagesreisen. Für Averil war es der Übergang zwischen zwei Welten.
Vom Inselhafen aus war sie nach Careol, der Hafenstadt des Festlandes, gesegelt, zusammen mit ihrer Rittereskorte und einer Fracht aus Wolle und Zinnwaren aus Prydain. In Careol wartete eine größere Eskorte, die doppelte Anzahl an Rittern und ein Dutzend Wächter in der silberverzierten tiefblauen Tracht von Quitaine.
Darunter waren auch zwei Mägde, zurückhaltende, junge Frauen mit ruhigen Augen und einer starken magischen Gabe. Averil erkannte sie als Akolythinnen, die, genau wie sie, die Insel verlassen hatten, bevor sie das Gelübde der Priesterinnen ablegten.
Die eine war klein, rundlich und dunkel. Die andere war wie Averil groß und hellhäutig, die Haare eher rötlich als golden. Der Name der dunklen war Jennet, die hellhäutige hieß Emma.
Averil fand ihre Anwesenheit angenehm. Die Ritter waren treu und respektvoll, aber sie fühlten sich in ihrer Gegenwart unbehaglich. Nur Bernardin schien sich in ihrer Nähe wohlzufühlen, doch er war mit den Angelegenheiten seines Ordens und seiner Stellung innerhalb des Herzogtums beschäftigt. Er schenkte ihr so viel Zeit, wie er erübrigen konnte, viel war es jedoch nicht.
Jennet und Emma waren geschickt worden, um Averil in den Gepflogenheiten und Verhaltensweisen einer adligen Dame zu unterrichten. »Nicht, dass Ihr in den feinen Künsten nicht bewandert wärt, aber es gibt einen Unterschied zwischen einer Dame und einer Dame.«
»Ja«, sagte Emma. »Eine Dame muss so tun, als würde die Welt von Männern regiert.«
»Das ist zwar ein Irrglaube«, sagte Jennet, »aber er hält sich hartnäckig. Und Männer werden schrecklich verdrießlich, wenn Euch die Wahrheit herausrutscht.«
»Das ist töricht«, sagte Averil. »Warum sollten wir eine Illusion aufrechterhalten?«
»Weil die Ordnung der Gesellschaft davon abhängt«, erklärte Emma. »Ordnung gründet sich nicht immer auf Wahrheit oder Vernunft. Also machen wir das Spielchen mit und üben uns in Raffinesse. Und dadurch wird das Chaos verhindert.«
Averil schüttelte den Kopf. Nichts von alledem erschien ihr einleuchtend, aber wenn man von ihr erwartete, dass sie an diesem Spiel teilnahm, würde sie einen Weg finden, es zu erlernen. Sie hörte zu und lernte und behielt ihre Gedanken für sich.
Das Ordenshaus in Morency empfing die Thronerbin des Herzogs mit Ehrerbietung, aber ohne Fanfaren. Sie wurde ins Gästehaus geführt, so wie es in den anderen Häusern gewesen war, in denen sie die Nacht verbracht hatten, und sie erhielt das reichhaltigere Essen, das für Gäste vorgesehen war. Averil lernte, weißes Brot und feine Gewürze zu essen, Fleischstückchen und die zuckersüßen Leckereien zu verdauen, die an edlen Höfen in Mode waren. Viel lieber wäre ihr dunkles Brot und Klosterbier gewesen, aber genau wie all die anderen Dinge gehörte auch dies zu dem Spiel, bei dem sie nun mitspielen musste.
An diesem Abend sah es so aus, als würde sie allein essen. Der Herr des Hauses war anderweitig beschäftigt.
Sie war ein wenig überrascht. Morgen würde sie weiter nach Fontevrai reisen. Sie hätte irgendeine Botschaft von ihrem Vater erwartet, ein Zeichen, dass er auf sie wartete.
Sie würgte ein, zwei Bissen hinunter und schob den Rest des Essens beiseite. Schlaf wäre ein nützlicher Zeitvertreib gewesen, nur stand die Sonne noch ein gutes Stück über dem Horizont. Sie erwog, jemanden in die Bibliothek des Ordenshauses zu
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