Das magische Land 1 - Der Orden der Rose
in deinem Leben brauchst, ist hier.«
Es war ein kleines Leben und nicht sehr schwer, aber Gereint hielt es für passend. Er war immer noch zu überwältigt, um das Ganze zu verstehen. Sein Magen ließ ein lautes Knurren verlauten. Gilles, der größere Novize, warf ihm einen Blick zu. »Hunger scheint dir offensichtlich nicht fremd zu sein.« Zorn wallte in Gereint hoch. »Wieso? Weil ich nicht in einem Schloss geboren wurde? Meine Mutter bewirtschaftet einen großen Hof, den ihr Vater vor ihr bewirtschaftete. Was wir nicht essen oder nutzen, verkaufen wir auf dem Markt. Wir mögen uns vielleicht ohne Seide und Schmuck kleiden, aber nur, weil wir so etwas für Verschwendung halten. Wir haben immer Essen im Bauch und Kleider auf der Haut. Wir leben so, wie wir es für richtig halten.«
Die Novizen wirkten genauso erschrocken, wie er sich fühlte. Simon sah aus, als müsste er ein Grinsen unterdrücken. Gilles errötete und machte ein finsteres Gesicht. »Ritter sind Edelmänner«, sagte er. »Für einfache Leute gibt es andere Orden. Wahrscheinlich schicken sie dich zu so einem, wenn du dich vorher nicht selbst zerstörst. Du wirst die Prüfungen hier nicht bestehen. Dazu bist du nicht geboren.«
»Eure Oberen scheinen anderer Meinung zu sein«, sagte Gereint steif. »Unsere Oberen sind in Panik. Man hätte dich schon vor Jahren in deine Schranken weisen sollen. Weil das versäumt wurde, bist du nun eine Bedrohung für dich selbst und für jeden, der dich umgibt. Sie taten das Einzige, was ihnen einfiel, um dich unter Kontrolle zu bekommen.« »Vielleicht funktioniert es ja«, sagte Gereint.
»Vielleicht wirst du sterben«, sagte Gilles. »Ich hoffe, dass wir nicht mit dir sterben.«
Gereint presste die Lippen zusammen. Er sah, wie lang der Weg sein würde, den er zu gehen hatte; er sah ihn vorgezeichnet in den kultivierten Gesichtszügen des Novizen.
Er würde nicht umkehren. Er war stur wie ein Maultier, wie seine Mutter immer sagte —, und diese Sturheit war ehrlich erworben. Er hatte sie von ihr. Er brauchte jedes bisschen dieser Sturheit. Das Leben eines Postulanten war nicht annähernd so hart, das Tagwerk nicht annähernd so lang wie das eines Bauern, aber er hatte wenig gemeinsam mit den anderen drei Postulanten, die den Schlafraum mit ihm teilten - zum einen, weil sie nur halb so alt waren wie er, und zum anderen, weil sie schon mehr über Magie wussten als er. Das konnte er ihnen kaum zum Vorwurf machen. Abgesehen von Gilles kümmerte es hier anscheinend niemanden, in welchen Stand er geboren war, und dies galt für alle Ränge, sogar für die Ritter. Trotzdem fiel er aus dem Rahmen.
Zumindest im Klassenzimmer gelang es ihm, sich zu behaupten. Er konnte lesen und schreiben — darauf hatte seine Mutter bestanden —, und er hatte ein Händchen für Zahlen. Seine Kameraden waren weitaus belesener, aber er war klug und schlagfertig. Ohne große Anstrengung konnte er mit ihnen mithalten.
Er konnte reiten — nicht gerade elegant, aber gut genug, um sich im Sattel zu halten -, und Gott wusste, dass er sich mit Pferden auskannte. Die Stallburschen und der Oberstallmeister quittierten dies mit Anerkennung. Es war ein Ausgleich für sein mangelndes Geschick im Umgang mit Waffen, abgesehen von Pfeil und Bogen. Er konnte schießen; von Kindesbeinen an hatte er Wildbret für den Kochtopf gejagt. Schwert und Schild, Speer und Lanze, Keule und Streitaxt waren ihm dagegen vollkommen fremd. Edelmänner wurden mit Waffen in den Händen geboren. Sie waren Nachfahren der Paladine, für den Krieg geschaffen. Gereint war dazu geboren, in der Erde zu graben.
Er hielt durch, obwohl ein Teil seines neuen Lebens, den er erwartet hatte, noch auf sich warten ließ. Man lehrte ihn keine Magie.
Als der Frühling fast vorüber war und die Obstwiesen in voller Blüte standen, nahm er allen Mut zusammen, jene Frage zu stellen, die so stark in seinem Inneren brannte. Er wandte sich an Mauritius, weil dieser sich von allen am wenigsten durch seine Existenz beunruhigen ließ.
Die Abende waren lang um diese Jahreszeit, und auch nach Sonnenuntergang blieb es noch eine Weile hell. An jenem Abend war die Luft zwischen dem Abendgebet und Mitternacht voller Süße: Apfel-, Birnen- und Pfirsichblüten, und in einer Ecke des Wandelgangs stand ein gehegter Zitronenbaum, der ebenfalls blühte. Selbst Steinmauern und starke Schutzzauber konnten ihn nicht bremsen.
Gereint hatte ein Pferd wegen einer Kolik behandelt. Das Pferd war wieder
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