Das magische Land 1 - Der Orden der Rose
sie zerschmettert.
Gereint fühlte sich krank im Herzen. Furcht verspürte er keine, noch nicht. Dazu war er zu erschüttert.
Die Straßen von Fontevrai waren dunkel. Selbst die Straßenräuber versteckten sich in ihren Betten; Trunkenbolde und Nachtschwärmer waren vor dem giftigen Ungeheuer geflohen, das die Gassen entlang kroch und sich in Hauseingänge wand.
Gereint hatte keine andere Verteidigung als seine unausgebildete Magie und die Kenntnis der Stadt, die Riquier in ihm verankert hatte. Er atmete so flach und bewegte sich so leise, wie er konnte, schlich an Wänden entlang und schnellte um Ecken.
Die Stille der Nacht drückte wie ein Gewicht auf seinen Schädel. Als sie zerbrach, schleuderte es ihn zu Boden.
Flammen loderten auf. Aus dem Nichts — als wären sie aus der Erde emporgestiegen - schwärmten bewaffnete Männer hervor. Wie Ameisen strömten sie auf das Mutterhaus des Rosenordens zu. Seine Dächer hatten bereits Feuer gefangen; brennende Pfeile schössen hoch und fielen wie ein Funkenregen herunter. Das plötzliche Licht wurde von Helmen und Speeren reflektiert.
Es mussten an die tausend Männer sein, die in dichten Reihen an der Gasse vorbeimarschierten, in der Gereint sich versteckte. Die ersten von ihnen waren bereits am großen Tor und brachen es nieder, als wäre es aus Korbgeflecht und nicht aus Eichenbalken mit Eisenbeschlägen.
Niemand verteidigte das Haus. Drinnen gab es keinerlei Anzeichen von Leben. Im Licht der Fackeln waren die Fenster schwarz und leer wie zahnlose Münder. Das Glas war verschwunden, zerschmettert, wie die Schutzzauber, die über dem Haus gelegen hatten, und das magische Netz, durch das die Ritter zusammengehalten wurden. Es war alles fort, als hätte es niemals existiert.
Tränen liefen über Gereints Gesicht. Als die Schreie begannen, war ihm, als würden ihm selbst stählerne Klingen in den Bauch gejagt.
Das zersplitterte Tor hinter sich lassend, verschwand die Armee im Haus. Jeder Fetzen von Vernunft, den Gereint noch in sich hatte, gebot ihm zu bleiben, wo er war, zu warten und sich zu erinnern. Aber all das hatte er hinter sich gelassen, als er aus dem Palast gerannt war. Er verließ sein Versteck und rannte zum Tor.
Während des Laufens spürte er ein seltsames doppeltes Bewusstsein. Mit dem Körper kämpfte er sich durch Magie, die ihm entgegen strömte wie ein reißender Fluss. Mit dem Geist floh er durch die Hallen und Gänge, die er nur so kurz kennen gelernt hatte, mitgerissen von einer blinden Woge aus Furcht. Viele von denen, die noch dort waren, waren in ihren Betten überrascht worden, durchbohrt von Schwertern und Speeren lagen sie in ihrem Blut. Jene wenigen, die die Kraft aufgebracht hatten, sich gegen den Zauber zu wehren, waren verfolgt und getötet worden.
Es gab kein Erbarmen für sie oder für irgendein Werk ihrer Hände oder ihrer Magie an diesem Ort. Alles war zerbrochen und geraubt. Blut rann über Mosaike, die so alt waren wie Romagna, und über Bodenplatten, die sowohl aus Magie als auch aus Stein gearbeitet waren. Auf dem Boden lagen in Stücke gehackte Leichen.
Gereint stolperte und fiel auf den Boden. Körper und Geist vereinten sich auf Schwindel erregende Weise. Unter ihm war Blut und die auf dem Rücken liegende Leiche eines Mannes.
Es war einer der Novizen, ein schlaksiger Junge, dessen Name sich in sein Gedächtnis eingebrannt hatte. Lucas: Er war schüchtern und gelehrsam gewesen, aber beneidenswert geschickt im Umgang mit dem Schwert. Er hatte keine Chance gehabt, diese Fähigkeit zu nutzen. Er war unbewaffnet und im Unterhemd, so wie er aus dem Bett gesprungen war. Seine Kehle war bis zur Wirbelsäule durchtrennt.
Selbst als Gereints Magen längst leer war, musste er noch würgen. Nach einer Weile rappelte er sich mühsam auf und widerstand dem Drang davonzulaufen. Das Haus war so groß, dass tausend Männer brandschatzend und mordend hindurchstürmen konnten, ohne jemanden zu bemerken, der hinter ihnen herstolperte. Die Feuer sprangen von Dach zu Dach. Die Kapelle stand bereits in Flammen.
Hufe donnerten davon. Die Pferde waren entkommen, oder jemand hatte sie aus den Ställen freigelassen. Gereint konnte sich nicht vorstellen, dass der Feind so gnädig war.
Er schlich weiter, weil er jede Hoffnung auf Einsicht längst verloren hatte. Er prägte sich alle Gesichter der Toten ein — sofern sie noch Gesichter hatten — und ließ die Magie in seinem Inneren, die so viel stärker war als sein Wissen oder sein
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