Das magische Land 2 - Das Amulett der Schlange
gewirkt hatte.
Die Woge des Schlafes strömte hinaus aus dem Zimmer, in dem sie saß und erfüllte den Rest des Herrenhauses. Diener sackten zusammen bei dem, was sie taten; Wachen schnarchten auf ihren Posten. Das Wichtigste war jedoch, dass Esteban und seine Verbündeten in der Halle zusammenbrachen. Da der Zauber aus ihrer eigenen Magie gewirkt war und ihnen wie ihr eigenes Spiegelbild erschien, bemerkten sie ihn nicht, bevor er sie niederstreckte. Averil lehnte sich zurück und tat einen tiefen Seufzer. Einen kurzen Moment lang ergab sie sich der Schwäche, die dem Wirken des Zaubers folgte. Dann rappelte sie sich hoch und befahl ihrem Geist, wieder klar zu denken.
Viel Zeit hatte sie nicht. Sie musste aus diesem Raum fliehen, ihre Wachen finden und ein gutes Stück vom Herrenhaus entfernt sein, bevor die Magier aufwachten, denn das würden sie beizeiten. Averil war nicht annähernd stark genug, um zehn Magier einen Tag und eine Nacht lang zu bannen. Sie konnte von Glück sagen, wenn sie den Rest des Nachmittags gewann.
Ihre Wachen taten ihren Teil, um sie zu unterstützen: Kaum hatte sie den Bannzauber des Türschlosses aufgedröselt und die Tür geöffnet, kamen sie schon herbeigerannt. Sie waren hellwach und in keiner guten Stimmung. Sobald sie sich mit Jennet in ihrem bewaffneten Kreis befand, rannten sie in Richtung Stall. Sie nahm die Röcke hoch und eilte mit ihnen über den Hof. Der Stall wurde von zwei laut schnarchenden Stallburschen gesichert sowie von einem Wachposten, der im Stehen schlief. Keiner von ihnen regte sich, als Averil und ihre Eskorte die Pferde sattelten, aufsaßen und schweigend davonritten. Der Zauber war so stark, dass Averil ein paar ihrer eigenen Männer dabei erwischte, wie sie aus Sympathie mitgähnten.
Als sie das Tor durchquerten und den Wald erreichten, wappnete sich Averil gegen einen Hinterhalt oder einen plötzlichen magischen Überfall, doch ihr Zauber hielt noch an. Er hatte angefangen, sich selbst zu kräftigen. Je mehr die Magier dagegen ankämpften, desto stärker bannte er sie.
Averil verstärkte ihre eigenen Schutzzauber, so gut sie es vermochte. Dann wollte sie sich an der Mähne ihres Pferdes festkrallen und sich nach Lutece tragen lassen, aber während sie die Waldwege entlang galoppierten, gingen ihre Gedanken eigene Wege.
Lutece war keine sichere Zufluchtsstätte. Esteban würde ihr dorthin folgen und seinen Feldzug gegen ihre Seele fortsetzen. Ihrer Einschätzung nach würde er eher belustigt als erzürnt sein, dass sie seinen eigenen Bannzauber gegen ihn gewendet hatte.
Er würde nicht aufgeben, bis sie zum Fest des Königs kam und ihn zum Ehemann erwählte. Welche Wahl hatte sie schließlich? Keiner war besser. Die meisten waren schlechter.
Sie setzte sich abrupt auf. Ihr Pferd zuckte zusammen, bockte und blieb stehen. Wie in Trance hielt sie sich im Sattel, bis es ihrer Eskorte dämmerte, dass sie nicht mehr unter ihnen war.
Während sie ihre Pferde wendeten und zu ihr zurückritten, gelangte sie zu dem einzigen Entschluss, den sie treffen konnte, um weiterhin Averil zu bleiben. Er war vielleicht feige, und er mochte sich als entsetzlicher, gefährlicher Fehler erweisen. Aber sie konnte nicht anders.
Sie schaute in die Gesichter der Männer und der einzigen Frau, die einen Kreis um sie gebildet hatten. »Folgt mir«, sagte sie.
Ein paar von ihnen hätten ihren Befehl vielleicht gern in Frage gestellt; vor allem Jennet sah aus, als würde sie ihre Meinung sagen wollen, aber sie hielten ihre Zungen in Zaum. Averil nickte, ergriff die Zügel und ritt los. Die Dunkelheit hatte sich herabgesenkt, bevor sie die Stadtmauern von Lutece erreichten. Die Tore waren geschlossen und die Nachtwachen auf ihren Posten, doch das Geheimtor, durch das Esteban sie am Morgen geführt hatte, war unbewacht.
Averil prüfte die Umgebung mit Auge und Geist, fand jedoch keinen Hinterhalt, keinen Zauber, der sie beim Durchqueren bannte. Sie waren beidem davongelaufen — oder all jene, die einen Teil von ihr wollten, gingen davon aus, dass ihre Beute in Sicherheit war.
Im Inneren der Stadtmauern ritt sie nicht in Richtung Palast, sondern zu einer Reihe von stattlichen Häusern am Fluss. Ihre Gärten gingen ineinander über: eine Besonderheit, die sicher manchem Liebenden oder Flüchtling dienlich war.
Averil hatte nicht die Absicht, die Geliebte irgendeines Mannes hier zu sein. Bis auf zwei ließ sie all ihre Wachen im Schatten der Peredur-Brücke zurück, die nach dem
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