Das magische Land 2 - Das Amulett der Schlange
in der Welt, die sie erschaffen wollten, war der Körper einer Frau ein Besitztum. Sie hatte keinen Zweifel, dass sie die freie Wahl hätte — wenn sie sich so entschied, wie sie es von ihr wünschten. Wenn es darum ging, waren sie nicht viel anders als der König. Wie viel Zeit würden sie ihr lassen?, fragte sie sich. Mehr? Weniger? Gar keine?
Sie behielt ihre Gedanken für sich. Es stand ein Stuhl für sie bereit und Wein und Kuchen und all das Drumherum höfischer Artigkeiten.
Esteban stellte ihr jeden namentlich vor. Sie verankerte die Namen im Gedächtnis und ließ auf sich wirken, was sie sah: der Große aus Gotha, der Dicke aus Gotha, der drahtige, kleine Kerl aus Romagna mit den nervösen Händen, der Ältliche aus Moresca, der ausgesprochen hübsche, kleine Graf aus Tenchebrai in Lys und so weiter. Die meisten von ihnen blieben stumm. Abgesehen von Esteban schien nur der Große aus Gotha, dessen Name Erdrich war, befugt zu erläutern, was sie alle dachten.
Er war es, der sagte: »Comtesse, wir sind sehr erfreut, Euch hier zu sehen. Jetzt, da Ihr das Geheimnis dieses Ortes entschlüsselt habt, hoffen wir, dass Ihr eine von uns werdet.«
»Ich werde es in Erwägung ziehen«, erwiderte Averil. Und das werde sie tun, aber zu welchem Schluss sie dabei kommen würde, ging nur sie selbst etwas an und sonst niemanden. Erdrich kannte sie noch nicht gut genug, um ihre Worte richtig zu deuten. Sein breites Gesicht begann zu strahlen. »Gut! Sehr gut, Comtesse. Werdet Ihr auch den Plan in Erwägung ziehen, den wir vorschlagen?«
Sie zog eine Braue hoch, was ihn aufforderte fortzufahren. Das tat er lang und breit. Sie ließ die Worte an sich vorbeirauschen und horchte auf den Weizen zwischen all der Spreu.
Es war ein recht simpler Plan, dabei ziemlich elegant. Averil sollte weiter ihre Rolle am Hof des Königs spielen. Sie sollte sich sogar, wenn nötig, dem Willen des Königs fügen; jeder Einzelne von ihnen, erklärte er, würde mit Freuden ihr Ehemann werden. In der Zwischenzeit würden die Verschwörer sich an die Fersen des Königs heften — einige hatten es schon getan, und viele andere würden folgen.
Wenn sie alle an Ort und Stelle wären, würden sie den König denunzieren und stürzen, seine Sklaven mit Hilfe eines ausgeklügelten Werkes befreien und Averil zur Königin machen.
»Wird dies geschehen«, fragte sie, »bevor oder nachdem er die Insel zerstört und die Schlange geweckt hat?«
Das ließ ihn innehalten. Sie schauten sich an. Nach einer kleinen Weile sagte der Mann aus Gotha: »Je eher, desto besser, wenn es nach uns ginge. Aber es wäre uns sehr dienlich, wenn er das Gefängnis der Schlange finden würde. Wenn es auf der Insel ist …«
»Dort ist es nicht«, sagte Averil.
»Seid Ihr Euch dessen ganz sicher, Comtesse?«, fragte Esteban. Sie sollte es nicht sein, doch in ihrem Herzen war sie es. Sie nickte. »Die Insel wäre viel zu offensichtlich.«
Sie machte sich auf Proteste gefasst, sie nickten jedoch alle und stimmten ihrer Logik zu. »Der Sturz der Insel wäre uns eigentlich dienlich«, sagte der Gothaer. »Neben den Orden und der Rose, die beide bereits zerbrochen wurden, gibt es keine größere Macht auf der Welt als die der Priesterinnen und keine stärkere Bedrohung für unser Anliegen.«
»Was ist mit der Kirche?«, fragte Averil. »Was ist mit den Weisen im Osten? Haben sie nichts zu dieser Sache zu sagen?«
»Die Kirche gehört dem König«, sagte Esteban, »ansonsten ist sie ohnehin zu schwach, um etwas zu bewirken — genau wie die Magierorden. Der Osten ist eher für als gegen uns. Die Weisen haben die Orden immer für unausgereift und ihre Herrschaft für zu streng gehalten.«
»Der König hat uns den Weg geebnet«, sagte der Gothaer. »Es würde uns nützen, wenn er noch eine Weile damit fortfahren würde. Sobald die Insel eingenommen ist, schlagen wir zu.«
»Vielleicht lassen wir den König auch davonkommen«, sagte der Graf von Tenchebrai, »damit er uns zur Erhabenen führt.«
»Das könnte unser Verderben sein«, sagte Esteban, »aber wir werden darüber entscheiden, wenn die Zeit gekommen ist.« Er wandte sich an Averil. »Comtesse, Ihr habt uns angehört. Was sagt Ihr dazu?«
Averil hatte diese Frage gefürchtet. »Ich sage«, antwortete sie gemessen, »dass ich Zeit zum Nachdenken brauche. Wird sie mir gewährt werden?« »Selbstverständlich«, sagte Esteban ohne jeden Anflug von Enttäuschung. »Selbstverständlich, Comtesse. Dies ist eine große Sache
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