Das magische Land 2 - Das Amulett der Schlange
hofften, und ohne Hoffnung, jemals wieder an Land zurückzukehren.
Der größte Teil des Zaubers war gewebt, der Schleier eines Trugbildes über dem Schiff. Er ließ die Seeleute menschlicher wirken und platzierte eine vertraute Gestalt in den Unterschlupf, groß und schlank, aber mit weiblicher Figur, mit einer rotgoldenen Locke, die unter der dunklen Kapuze hervorlugte. Ihr lebendiges Pendant stand neben ihm. Es war an ihr, das Werk zu vollenden: Sie musste das Wesentliche ihrer selbst an das Trugbild an Deck binden und ihm den Eindruck des Mysteriums, das sie bei sich trug, verleihen. Sie war ruhig und konzentriert, wie es sich für eine ausgebildete Magierin geziemte, aber ihr Herz fühlte sich an wie geschmolzenes Glas.
Gereint verbarg vor ihr seine Besorgnis, aber er behielt ein wachsames Auge auf sie. Auf ihre Weise war sie genauso gefährlich wie er, bevor er gelernt hatte, seine Magie zu kontrollieren.
Etwas in ihr hatte einen Riss bekommen oder war zerbrochen — ein Teil, der sicher in der Stabilität der Orden geruht hatte. Von den Orden fortgerissen, von wilder Magie durchdrungen und von den verschiedenen Arten des Schlangenkultes in Versuchung geführt, hatte sie ihre Orientierung verloren. Gereint tat, was er konnte, hielt Wache und versuchte, sie nicht daran zu erinnern, was sie sonst noch füreinander sein könnten, doch je länger es andauerte, desto schwerer wurde es für ihn, Distanz zu wahren. Am liebsten hätte er sie in die Arme geschlossen, ihre Sorgen weggeküsst und sie gelehrt, die Welt so zu sehen, wie er sie sah: hell und strahlend und voller mannigfaltiger Wunder.
Es brauchte die gesamte Disziplin, die er im Laufe eines Jahres gelernt hatte, um sich seinen Wunsch zu verkneifen. Er sorgte dafür, dass weder magische noch menschliche Mächte auf sie einwirkten, und gab sich alle Mühe, sie nicht durch seine geheimen Wünsche zu beunruhigen.
Der Zauber war beinahe vollendet. Sie zog das Amulett unter ihrem Gewand hervor, legte es auf ihre Handfläche und hauchte darauf. Sein Schimmer war im Licht der Sterne und Fackeln getrübt, das strahlende Emaille hatte einen dunklen Schimmer, und die gold- und silberfarbenen Linien blitzten unruhig auf.
Sie blies die Erinnerung daran zum Schiff. Ihr Atem stockte und behielt die Struktur der Magie in seinem Herzen. Ohne nachzudenken, umschloss Gereint sie mit seiner eigenen Magie, ein Gedanke und ein Wunsch und eine Hoffnung auf das, was eines Tages sein könnte.
Zu spät versuchte er sie zurückzuholen, aber sie war fort. Averils Zauber hatte sie umwoben.
Niemand anders schien es bemerkt zu haben. Er fragte sich unbehaglich, ob sie es wissen müssten — ob er sie darauf hinweisen sollte. Doch anscheinend hatte es keinen Schaden angerichtet. So schwieg er und ließ die Sache auf sich beruhen.
Das Schiff legte ab. Kein Ruder trieb es an, und kein Windhauch blähte die Segel. Es glitt zur Mitte des Flusses, wo es von der Strömung erfasst und in Richtung Meer getragen wurde.
Averil schwankte, aber bevor Gereint sie stützte, hatte sie sich wieder gefangen. Auch Gereint überkam ein plötzlicher Schwindel, als sei ein Teil von ihm mit dem Schiff davongesegelt. Er langte in die Erde hinab, die ihm immer Kraft gab, und sie erfüllte seine Bitte so großzügig wie eh und je. Er hauchte ihr seinen Dank zu, obwohl er wusste, dass dies ein zutiefst heidnisches Verhalten war. Aber er hatte gelernt, dankbar zu sein, einerlei, durch wen oder was er Hilfe bekommen hatte.
Durch das Band, das zwischen ihnen war, hatte auch Averil Kraft gewonnen. Die Königin und die Magier hatten sich in Bewegung gesetzt und schickten sich an, den Hafenkai zu verlassen. Sie folgte ihnen.
Gereint wollte mitgehen, doch der Kai hielt ihn zurück. Das Schiff war noch in Sichtweite, ein Schatten auf dem sternenbeschienenen Fluss. Er sah es durch die Atemwolke vor seinem Mund, als würde er durch dunkles Glas schauen. Der Zauber darauf war sichtbar, ein offensichtliches und unverwechselbares Trugbild. All die Mühe, die auf das Werk verwendet wurde, war vom Wasser fortgespült worden.
Gereint konnte das Schiff nicht mehr erreichen, es war zu weit fort. Seine Macht gehörte zur Erde; Wasser wirkte ihm entgegen, und die Wildvolkwesen, die darin lebten, trübten und verwirrten seine Magie. Er war wie erstarrt und konnte sich nicht entscheiden, ob er die Magier zurückrufen sollte oder nicht. Er würde es Peredur später sagen — aber nicht zu spät. Wenn der Zauber
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