Das magische Land 2 - Das Amulett der Schlange
aber noch nie die Magie in ihnen zum Leben erweckt. Einige sagen, es läge daran, dass sie keine große Wirkung haben; ihr Wert ist die Erinnerung an das, was sie für den Orden bedeuten. Aber andere sagen, sie seien nie zum Einsatz gekommen, weil sie zu stark sind und weil niemand die Macht hat, sie zum Leben zu erwecken, ohne unser aller Leben aufs Spiel zu setzen.« »Das klingt wahrscheinlicher, nicht wahr?«, sagte Averil.
Sie spürte, wie er nickte. »Der König hätte nicht so um ihren Besitz gekämpft, wenn sie nur Andenken wären. Sie haben das Blut des Jungen Gottes an sich und das Relikt seiner Macht. Ich kenne nicht ihre gesamte Bedeutung: Dieses Wissen wird nicht an Angehörige meines Rangs weitergegeben. Aber ich glaube, die Mysterien stärken einander, wenn sie alle vereint sind. Wenn er das Dritte in die Hände bekommt, wird er mehr Macht haben, als ein Sterblicher jemals haben sollte — selbst für den Fall, dass er den Bann des Amuletts nicht brechen kann.«
»Clodovec träumt davon, die Welt zu regieren.« Averil schlug die Augen auf. Sie konnte die Schiffe noch immer kommen sehen, die wie Seeschlangen durch die Wellen glitten. Das Amulett unter ihrem Hemd fühlte sich plötzlich schwer an, als wüsste es, was dort nahte und es bedrohte.
Sie entfernte sich einen Schritt von Gereint und trat auf die Königin zu. »Kusine, ich weiß Ihr habt mir verboten von hier fortzugehen, nicht einmal um Euer Königreich zu retten. Aber könnten wir nicht unsererseits ein Ablenkungsmanöver versuchen? Wenn wir ein Schiff aussenden und ich scheinbar an Bord bin, wird er uns vielleicht folgen.«
»Vielleicht«, sagte Gereint, »oder vielleicht, wenn er die anderen Mysterien zu nutzen weiß, wird er das eine aufspüren, das Ihr bei Euch tragt und wissen, dass es sich um eine Täuschung handelt.«
»Es ist einen Versuch wert«, sagte Dylan Fawr. »Wir wissen nicht, inwieweit er die Magie nutzen kann, die er an sich gebracht hat.«
»Es soll geschehen«, sagte die Königin. »Ein Tarnzauber, ein Trugbild, ein Hinweis, dass sich das Mysterium an Bord befindet — ein guter Plan.«
»Und wenn er den Köder nicht schluckt?«, fragte Gereint.
»Prydain ist ein zu großer Brocken, als dass er ihn schlucken könnte«, sagte Dylan Fawr. Sein Lächeln war hart wie Stahl.
Gereint sträubte sich noch und knisterte vor Magie, wie Averil es seit seiner Postulantenzeit in Fontevrai nicht mehr bei ihm beobachtet hatte. Sie wappnete sich für den Ausbruch, aber das hatte sich ausgewachsen. Er ließ die Magie abflauen, legte ihre Macht wie Flügel an den Körper und steckte sie weg.
Die anderen waren ein wenig weiß um die Nase. Averil beobachtete es besonders bei dem jungen Goronwy, wie er erbleichte und zurückwich. Er war selbst kein schlechter Magier, aber im Vergleich zu Gereint war er nichts als ein Funken in der Dunkelheit.
Averil suchte in ihrem Geist nach Worten, die sowohl höflich als auch leer waren: höfische Worte, mit denen sie der Königin dankte und sich von ihr verabschiedete. Dann zog sie sich mit Gereint hastig zurück, bevor weitere Fragen gestellt werden konnten. Wenn es Eiluneds Wille gewesen wäre, sie aufzuhalten, hätte sie es getan. Sie neigte den Kopf mit der Anmut einer Königin und erlaubte ihnen den Rückzug.
Es war ein Tag außergewöhnlicher Heiligtümer und unerwarteter Erkenntnisse. Eine weitere kam Averil im frostigen Sonnenlicht hoch oben auf einem Turm, als sie auf die graue, glitzernde Biegung des Flusses hinabschaute.
Sie hatte schon immer hoch gelegene Orte aufgesucht, um zu klarem Verstand zu kommen. Sie hatte sich genug gegrämt. Jetzt überwand sie Selbstmitleid und Furcht und richtete den Blick auf das, was sie zu tun hatte. Die Königin würde Schiff und Tarnzauber bereitstellen und als Köder westwärts zum Rand der Welt segeln lassen. Die Magier der Königin und die Mächte Prydains hatten sich bereits an die Arbeit gemacht und Wände aus Luft erhoben, die denen der Insel gleichkamen. Vor den Augen ihrer Magie erhoben sie sich aus dem Meer, wanden sich hinauf bis zum Himmel, den sie mit einem leisen, kristallenen Klirren berührten.
Es war eine reine Illusion, aber als die Kuppel vollkommen war, schnappte Averil nach Luft. Einen Moment lang konnte sie nicht atmen. Es gab keine Luft mehr.
Der Moment ging vorüber. Ihre Lungen füllten sich wieder mit Luft. Prydain blieb Prydain. Alles, was außerhalb lag, war abgeschnitten, aber in ihrem Herzen konnte sie immer noch ihr
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