Das Magische Messer
überhaupt her? Musst du nicht zur Schule? Wie hast du zu mir gefunden?«
Und wieder rieb sie sich die Augen, als wache sie gerade auf.
Lyra zitterte. Sag die Wahrheit, dachte sie. »Damit«, sagte sie und zog das Alethiometer heraus.
»Was um alles in der Welt ist das? Ein Kompass?«
Lyra gab ihr das Instrument. Dr. Malone machte große Augen, als sie das Gewicht spürte.
»Mein Gott, das ist ja aus Gold. Wo um alles –«
»Ich glaube, es macht dasselbe wie Ihre Höhle, und das möchte ich herausfinden«, sagte Lyra verzweifelt. »Wenn ich eine Frage richtig beantworten kann, etwas, das nur Sie wissen und ich nicht, darf ich dann Ihre Höhle benutzen?«
»Was, sind wir jetzt beim Wahrsagen angelangt? Was ist das für ein Ding?«
»Bitte! Fragen sie mich was!«
Dr. Malone zuckte die Schultern. »Also gut. Sage mir … sage mir, was ich getan habe, bevor ich anfing hier zu arbeiten.«
Eifrig nahm Lyra das Alethiometer und stellte die Frage. Sie spürte, wie ihre Gedanken bei den richtigen Bildern waren, noch bevor die Zeiger auf sie zeigten, und wie die lange, dünne Nadel als Antwort darauf zu zucken und um das Zifferblatt zu kreisen begann. Sie folgte ihr aufmerksam mit den Augen, zog Schlüsse und sah, wie sich zahllose Symbole zu Bedeutungen und schließlich zur Wahrheit zusammen setzten.
Mit einem Seufzen und Blinzeln tauchte sie aus ihrer vorübergehenden Trance auf.
»Sie waren eine Nonne«, sagte sie. »Das hätte ich nie erraten. Nonnen müssen eigentlich für immer in ihren Klöstern bleiben. Aber Sie konnten nicht mehr an die kirchlichen Dinge glauben und man ließ Sie gehen. Das ist wirklich ganz anders als in meiner Welt.«
Dr. Malone war in den einzigen Stuhl des Zimmers gesunken und starrte sie an.
»Stimmt doch, oder?«, fragte Lyra.
»Ja. Und das sagt dir dieses …«
»Mein Alethiometer. Ich glaube, es arbeitet mit Staub. Ich bin nur deshalb den ganzen Weg hierher gekommen, um mehr über Staub zu erfahren, und das Alethiometer hat mich hierher geführt. Deshalb nehme ich an, dass Ihre dunkle Materie dasselbe ist. Kann ich jetzt Ihre Höhle ausprobieren?«
Dr. Malone schüttelte den Kopf, aber nicht, um nein zu sagen, sondern nur aus Hilflosigkeit. Sie breitete die Hände aus. »Also gut«, sagte sie, »wahrscheinlich träume ich. Dann kann ich genauso gut weitermachen.«
Sie drehte sich auf ihrem Stuhl und drückte einige Tasten, worauf die Apparaturen zu summen begannen. Lyra fuhr hoch und konnte gerade noch einen Schrei unterdrücken. Das Summen klang genauso wie das Geräusch, das sie in jener glitzernden Schreckenskammer in Bolvangar gehört hatte, wo die silberne Guillotine sie und Pantalaimon fast getrennt hätte. Sie spürte, wie Pantalaimon in ihrer Brusttasche zitterte, und drückte ihn sanft zur Beruhigung.
Dr. Malone bemerkte davon nichts. Sie war zu beschäftigt damit, Schalter einzustellen und auf einem weiteren dieser graugelben Tabletts auf Buchstaben zu drücken. Der Bildschirm wechselte die Farbe und einige kleine Buchstaben und Zeichen erschienen darauf.
»Jetzt setz du dich hier hin«, sagte sie und überließ Lyra den Stuhl. Dann öffnete sie einen kleinen Topf. »Ich schmiere dir etwas Gel auf die Haut, damit der elektrische Kontakt besser ist. Es lässt sich leicht wieder ab waschen. Halte jetzt still.«
Dr. Malone nahm sechs Kabel, die jeweils in einem flachen Pfropfen endeten, und befestigte sie an verschiedenen Stellen von Lyras Kopf. Lyra saß regungslos da, doch atmete sie schnell und ihr Herz schlug heftig.
Dr. Malone holte sich einen zweiten Stuhl und setzte sich. »Gut, jetzt bist du angeschlossen«, sagte sie. »Das Zimmer ist voller Schatten. Natürlich ist das ganze Universum voller Schatten, aber wir können sie nur sehen, indem wir unseren Kopf ganz leer machen und den Bildschirm ansehen. Also los.«
Lyra sah auf den Bildschirm. Die Scheibe war dunkel und leer. Sie sah schemenhaft ihr eigenes Spiegelbild, das war alles. Versuchsweise tat sie so, als lese sie das Alethiometer, und stellte sich eine Frage vor: Was weiß diese Frau über Staub? Was für Fragen stellt sie?
In Gedanken ließ sie die Zeiger des Alethiometers kreisen, und als sie das tat, begann der Bildschirm zu flimmern. Er staunt wachte sie aus ihrer Konzentration auf, und das Flimmern erstarb. Sie bemerkte nicht, wie sich Dr. Malone hinter ihr verblüfft aufrichtete, sondern beugte sich stirnrunzelnd vor und begann sich wieder zu konzentrieren.
Diesmal erfolgte die
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