Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Das Magische Messer

Das Magische Messer

Titel: Das Magische Messer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Philip Pullman
Vom Netzwerk:
komplizierter anbarischer Apparat stand. 
    Lyra war überrascht, dass der gesuchte Wissenschaftler eine Frau war, aber das Alethiometer hatte ja nicht von einem Mann gesprochen, und schließlich befand sie sich in einer merkwürdigen Welt. Die Frau saß an einer Maschine mit einem kleinen Bildschirm aus Glas, auf dem alle möglichen Ziffern und Zeichen zu sehen waren, und vor sich hatte sie auf einem graugelben Tablett die Buchstaben des Alphabets auf kleinen, verschmutzten Blöcken liegen. Sie drückte einen davon und der Bildschirm wurde leer.
    »Wer bist du?«, fragte sie.
    Lyra machte die Tür hinter sich zu. Sie erinnerte sich, was das Alethiometer ihr gesagt hatte, und versuchte deshalb etwas, was sie sonst nicht getan hätte: die Wahrheit zu sagen. 
    »Lyra Listenreich«, antwortete sie. »Und Sie?«
    Die Frau sah sie überrascht an. Lyra schätzte sie auf Ende dreißig, etwas älter vielleicht als Mrs. Coulter. Sie hatte schwarze Haare und rote Wangen und trug einen weißen Mantel über einem grünen Hemd und blauen Leinenhosen, wie sie so viele Leute in dieser Welt trugen.
    Die Frau fuhr sich auf Lyras Frage mit einer Hand durch die Haare und sagte dann: »Du bist heute schon das zweite unerwartete Ereignis. Ich bin Doktor Mary Malone. Was willst du?«
    »Ich möchte, dass Sie mir erklären, was Staub ist«, sagte Lyra, nachdem sie sich umgesehen und vergewissert hatte, dass sie allein waren. »Ich weiß, dass Sie es wissen. Ich kann es beweisen. Sie müssen es mir unbedingt sagen.«
    »Staub? Wovon redest du?«
    »Vielleicht nennt man es hier anders. Ich meine Elementarteilchen. In meiner Welt sagen die Wissenschaftler auch Rusakow-Teilchen dazu, aber normalerweise sagen sie Staub. Es ist nicht leicht, sie zu erkennen, aber sie kommen aus dem Weltall und bleiben an den Menschen hängen. Das heißt, weniger an Kindern, sondern hauptsächlich an Erwachsenen. Und was ich erst heute herausgefunden habe – also ich war in dem Museum da drüben, und da gab es einige alte Schädel mit Löchern drin, wie sie die Tataren machen, und um diese war viel mehr Staub als um den anderen Schädel, der nicht diese Art von Loch hatte. Wann war die Bronzezeit?« 
    Die Frau sah sie mit aufgerissenen Augen an.
    »Die Bronzezeit?«, sagte sie. »Du meine Güte, ich weiß nicht, vielleicht vor fünftausend Jahren.«
    »Hm, dann haben sie das Schild falsch beschriftet. Der Schädel mit den beiden Löchern ist dreiunddreißigtausend Jahre alt.«
    Lyra hielt inne, weil Dr. Malone aussah, als ob sie gleich in Ohnmacht fallen würde. Die rote Farbe war vollkommen aus ihren Wangen gewichen, und sie hatte eine Hand an die Brust gelegt, während sie mit der anderen die Armlehne ihres Schreibtischstuhls umklammerte. Ihr Unterkiefer war nach unten gesackt.
    Verblüfft wartete Lyra darauf, dass sie sich erholte. 
    »Wer bist du?«, fragte die Frau schließlich.
    »Lyra Listen-«
    »Nein, woher kommst du? Was bist du? Woher weißt du solche Dinge?«
    Lyra seufzte ungeduldig; sie hatte vergessen, wie umständlich Wissenschaftler sein konnten. Es war wirklich schwer, ihnen die Wahrheit zu sagen, wenn sie eine Lüge so viel leichter verstanden hätten.
    »Ich komme aus einer anderen Welt«, begann sie. »Und in meiner Welt gibt es ein Oxford wie das hier, nur anders, und da bin ich her. Und –«
    »Halt, halt, halt. Du kommst woher?«
    »Von anderswo«, sagte Lyra, vorsichtiger geworden. »Nicht von hier.«
    »Aha, von anderswo«, sagte die Frau. »Verstehe. Ja, ich glaube, ich verstehe.«
    »Und ich muss wissen, was Staub ist«, erklärte Lyra. »Weil die Leute von der Kirche aus meiner Welt, ja, die haben Angst vor Staub, weil sie glauben, er sei die Erbsünde. Deshalb ist es so wichtig. Und mein Vater … nein«, sagte sie heftig und stampfte mit dem Fuß auf, »das wollte ich gar nicht sagen. Ich habe ganz verkehrt angefangen.«
    Dr. Malone sah Lyras verzweifelt gerunzelte Stirn und die geballten Fäuste und die blauen Flecken auf ihrer Wange und ihrem Bein und sagte: »Du meine Güte, Kind, so beruhige dich doch …«
    Sie brach ab und rieb sich die Augen, die rot waren vor Müdigkeit.
    »Warum höre ich dir überhaupt zu?«, fuhr sie fort. »Ich muss verrückt sein. Tatsache ist, dass hier der einzige Ort der Welt ist, wo du die Antwort, die du willst, bekommen kannst, aber unser Labor soll geschlossen werden … Dein Staub, von dem du da redest, klingt wie etwas, das wir seit einer Weile untersuchen, und was du über die Schädel im

Weitere Kostenlose Bücher