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Das Magische Messer

Das Magische Messer

Titel: Das Magische Messer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Philip Pullman
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zugehört.
     »Das Yijing«, sagte sie jetzt. »Ja, das ist chinesisch. Um die Zukunft vorauszusagen – also im Grunde Wahrsagerei … Und, ja, sie machen das mit Stöckchen. Das da oben hängt nur zum Schmuck da.« Sie sagte es, wie um zu betonen, dass sie nicht wirklich daran glaubte. »Du meinst also, dass Leute, die das Yijing befragen, in Wirklichkeit mit Schattenteilchen kommunizieren? Mit dunkler Materie?«
    Lyra nickte. »Wie gesagt, es gibt viele Möglichkeiten. Das war mir bisher nicht klar. Ich dachte, es gebe nur eine.« 
    »Diese Bilder auf dem Schirm …«, begann Dr. Malone. 
    Lyra merkte, dass sich irgendwo am Rand ihres Bewusstseins ein Gedanke regte, und wandte sich wieder dem Bildschirm zu. Sie hatte gerade erst begonnen, eine Frage zu formulieren, als weitere Bilder aufblitzten, so schnell hintereinander, dass Dr. Malone ihnen kaum folgen konnte. Doch Lyra wusste, was sie bedeuteten, und drehte sich wieder um.
    »Es heißt da, dass auch Sie wichtig sind«, sagte sie, »und dass Sie etwas Wichtiges zu tun haben. Ich weiß nicht was, aber wenn es nicht so wäre, würde es nicht da stehen. Sie müssen die Schatten wahrscheinlich dazu bringen, Worte zu verwenden, damit Sie sie verstehen können.«
    Dr. Malone schwieg. Dann sagte sie: »Also gut, noch einmal: Woher kommst du?«
    Lyra verzog den Mund. Sie spürte, dass Dr. Malone, die bis jetzt aus Erschöpfung und Verzweiflung gehandelt hatte, unter normalen Umständen nie ihre Arbeit einem fremden Kind gezeigt hätte, das aus dem Nichts auftauchte, und dass sie allmählich begann, das zu bedauern. Aber sie musste ihr die Wahrheit sagen.
    »Ich komme aus einer anderen Welt«, sagte sie. »Das stimmt wirklich. Ich bin erst heute hergekommen. Ich war … Ich musste fliehen, weil Leute aus meiner Welt hinter mir her waren und mich umbringen wollten. Und das Alethiometer kommt … es kommt auch von dort. Der Rektor von Jordan College hat es mir geschenkt. In meinem Oxford gibt es nämlich ein Jordan College, aber hier nicht. Ich habe nachgesehen. Und ich habe mir selbst beigebracht, wie man das Alethiometer liest. Ich mache meinen Kopf einfach ganz leer und lasse die Bilder auf mich wirken. Genau wie Sie gesagt haben … mit den Zweifeln und Rätseln und so. Als ich den Bildschirm an  sah, habe ich es genauso gemacht, und es hat genauso gewirkt, also sind auch mein Staub und Ihre Schatten dasselbe. Gut…« 
    Dr. Malone war jetzt hellwach. Lyra nahm das Alethiometer und wickelte es liebevoll in den Samt ein wie eine Mutter ihr Kind. Dann steckte sie es in ihren Rucksack zurück. 
    »Gut«, sagte sie, »Sie könnten den Bildschirm, wenn Sie wollen, so einrichten, dass er in Worten zu Ihnen spricht. Dann könnten Sie mit den Schatten reden wie ich mit dem Alethiometer. Aber was ich wissen will, ist: Warum hassen die Menschen in meiner Welt ihn? Den Staub, meine ich, die Schatten, oder die dunkle Materie. Sie wollen sie zerstören, sie halten sie für böse. Aber ich glaube, dass das, was sie selber tun, böse ist. Ich habe gesehen, was sie tun. Was sind Schatten also? Gut oder böse, oder was?« 
    Dr. Malone massierte sich das Gesicht, worauf ihre Wangen noch röter wurden, als sie es schon waren.
    »Das ist doch alles nur peinlich«, sagte sie. »Weißt du, wie peinlich es ist, in einem wissenschaftlichen Labor von gut und böse zu sprechen? Kannst du dir das überhaupt vorstellen? Ich bin unter anderem deshalb Wissenschaftlerin geworden, damit ich darüber nicht nachzudenken brauche.«
    »Aber Sie müssen darüber nachdenken«, sagte Lyra streng. »Sie können nicht Schatten und Staub und was immer erforschen, wenn Sie darüber nicht nachdenken, über gut und böse und das. Und das müssen Sie, wie der Staub sagte, vergessen sie das nicht. Sie können sich nicht weigern. Wann soll das Labor geschlossen werden?«
    »Der Ausschuss entscheidet darüber Ende der Woche … Warum?«
    »Weil Sie dann heute Abend Zeit haben«, sagte Lyra. »Sie könnten diese Maschine so einrichten, dass sie Wörter auf dem Bildschirm zeigt statt Bilder wie bei mir. Sie könnten das leicht. Das könnten Sie denen dann zeigen, und die müssten Ihnen das Geld geben, um weiterzumachen. Und Sie könnten alles über Staub oder Schatten herausfinden und mir sagen. Denn sehen Sie –«, sie sagte es ein wenig hochmütig wie eine Herzogin, die über ein nicht ganz zufriedenstellendes Dienstmädchen spricht, »– das Alethiometer sagt mir nicht genau, was ich wissen muss. Aber Sie

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