Das magische Portal - Weltennebel
an, und die auffallend schlanke Gestalt hob abwehrend ihre blasse Hand.
»Komm nicht näher«, verlangte eine leise Stimme, die wie ein Windhauch an sein Ohr drang.
»Wer bist du, und was tust du hier?«, keuchte Darian.
»Ich bin eine Banshee. Ich betrauere die Toten und begleite ihre Seelen zu den Hallen der Ahnen, wo sie eine Weile ausruhen, bevor sie ein neues Leben beginnen.«
Erfüllt von ungläubigem Staunen starrte Darian auf das seltsame Geschöpf. »Du bist was?«
Die Banshee musterte Darian eine ganze Weile durchdringend. »Ich begleitete deinen Vater, auch er starb eines gewaltsamen Todes.«
»Meinen Vater.« Darian schluckte schwer, und vor seinen Augen verwandelte sich die Banshee ganz kurz in einen großen, kräftigen Mann mit Bart, der einen silbernen Ring um den Hals trug.
Erschrocken torkelte Darian zurück.
»Ich wollte dich nicht erschrecken«, versicherte die Banshee rasch. Dann zuckte ihr Kopf nach links. »Du kannst nicht hier bleiben. Die Dunkelelfen kehren zurück und werden dich töten, wenn sie dich finden.«
»Dunkelelfen?« Hektisch blickte sich Darian um.
»Ja.« Die Banshee hob die mit Schnee bedeckte Kapuze eines der toten Körper an. Überrascht blickte Darian in ein Gesicht, welches von silbernen Haaren umrahmt wurde und dessen Züge bestechend zart und markant zugleich waren. Die Haut war glatt und von deutlich dunklerem Teint als seine eigene.
»Das ist ein Dunkelelf?«, staunte er und musste erneut an Mia denken. Sie hatte wenig mit diesem Wesen gemein gehabt, höchstens die anmutigen Gesichtszüge.
»Du musst jetzt wirklich gehen«, drängte die Banshee und kam mit schwebenden Schritten auf Darian zu. Erschrocken erkannte er, dass sie keine Spuren im Schnee hinterließ.
»Aber wo soll ich denn hin?«
»Geh den Weg zurück, verlass den Wald.«
»Dort sind die Sümpfe.«
»Halt dich am Waldrand. Geh immer in Richtung Osten, dort wirst du Hilfe finden.«
Darian runzelte die Stirn und sah die Banshee aus großen Augen an.
»Hilfe?« Er wollte die geheimnisvolle Frau am Arm fassen, doch ihr Gesicht verzerrte sich zu einer Maske, als sie abrupt zurückwich und wie eine Wildkatze zischte.
»Wenn du mich berührst, musst du mir ins Reich der Ahnen folgen.«
Darian zuckte zurück. Er wusste so wenig von dieser Welt und ihren Bewohnern, wie sollte er da ganz allein zurechtkommen?
»Du musst jetzt gehen, und wisse, dass Eile geboten ist.« Das Wesen schwebte zurück zu den Leichen von Darians ehemaligen Gefährten.
»Ich hätte sie zumindest begraben sollen«, sagte er traurig. Doch er hatte ja nur das Schwert, und bei diesem gefrorenen Boden wäre es ohnehin unmöglich gewesen.
»Das ist nur die Hülle.« Plötzlich klang die Stimme der Banshee sanft und tröstend. »Ihre Seele, ihr ganzes Wesen und die Erinnerungen, welche diese Männer hier ausgemacht haben, sind längst an einem fernen Ort. Du jedoch musst jetzt aufbrechen.«
Darian schluckte hart, dann wandte er sich ab und eilte davon, so schnell es ihm sein erschöpfter, durchgefrorener Körper erlaubte. Als er einen kurzen Blick zurückwarf, schwebte die Banshee noch immer über den toten Körpern.
Du musst dich beeilen, blicke nicht zurück, Darian, Sohn von Jarredh , hörte er ihre Stimme in seinem Inneren, und er gehorchte ihr.
Darian rannte den Weg zurück durch den Schnee. Zwar machte er sich Sorgen wegen der Spuren, die er hinterließ, doch er hatte keine Alternative. Immer wieder blickte er sich um, erwartete beinahe jeden Augenblick einen Pfeil im Rücken zu spüren oder einen Dunkelelfen zu sehen, der hinter einem Baum hervorschnellte, um ihn aufzuspießen. In der Stille der Nacht kam ihm sein eigener rasselnder Atem unerträglich laut vor. Mechanisch rannte er weiter, nur mit dem Ziel, den Wald so schnell wie möglich zu verlassen. Als ein erneuter Schneesturm einsetzte, war er beinahe froh, denn dieser würde seine Spuren verwischen. Allerdings hielt seine Freude nur so lange an, bis er die schützenden Bäume tatsächlich verlassen hatte. Der Wind heulte auf wie ein verwundetes Biest und peitschte ihm mit brutaler Macht Schneeflocken und Eiskristalle ins Gesicht. Darian blieb die Luft weg. Er konnte keinen Meter weit sehen, und die Welt schien sich in eine tobende weiße Hölle verwandelt zu haben. Er zog sich die Kapuze weiter ins Gesicht und stapfte am Waldrand entlang durch den höher werdenden Schnee. Ständig trat er in blubbernde Moorlöcher, und seine an sich gut gefetteten Stiefel wurden
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