Das magische Schwert
Jahre. Ich hab auch alte Leute auf dem Schiff gesehen, Familien … die können keine Seeleute sein. Sind die euch nicht im Weg?«
»Sind sie. Aber darauf kommt es nicht an.«
»Also reisen Seezigeuner immer mit ihren Familien?«
»Die meisten von denen sind nicht mit uns verwandt. Schau mal, Rosi« - Neels Stimme wurde schärfer -, »es gibt vieles auf der Welt, von dem du keinen Schimmer hast. Dein kostbarer weißer mächtiger Prinz …«
Der Gadsche hob die Hand. »Ich hasse ihn bis aufs Blut!«
»Oh, gut. Denn dieses abgesoffene Wrack von einem Menschen hat es sich in den Kopf gesetzt, uns Roma alle einzusperren und den Schlüssel zu verschlucken. Nicht viel, was wir dagegen machen konnten, aber wir haben getan, was wir konnten. Die Maraki - der Romastamm, den du so nett ›Seezigeuner‹ nennst - haben Nachricht geschickt, die freien Roma in Böhmen sollten durch das Schlupfloch an den Strand kommen und sich dort sammeln. Die Familien an Bord haben ihre Wagen, Pferde und was weiß ich alles zurücklassen müssen.« Er konnte nicht mehr weitersprechen, räusperte sich und fuhr fort. »Treb und ich hatten gerade den Letzten auf die Pacolet gebracht und sind im Beiboot zum Strand zurückgerudert, um aufzuräumen. Wollten jede Spur des Zeltplatzes verbergen. Ist nicht nötig, dass die Portugiesen spitzkriegen, dass an diesem Stück Küste was Besonderes dran ist. Dieser Strand ist unser Geheimnis.Wir waren gerade fertig und wollten zurück, als du aufgetaucht bist. Und wenn du fünfzehn Minuten später durch das Schlupfloch gegangen wärst, wären wir beiden uns nie so Auge in Auge gegenübergestanden.«
Einen Moment waren beide still. Dann murmelte der Junge: »Wie du schon gesagt hast, ich schätze, ich hab einfach Glück gehabt.«
Madinia und Margaret
F LAPP. FLAPP. Flapp.
Petra machte die Augen auf. Vom langen Schlafen waren sie ganz verklebt.
Sie spürte, wie sich etwas an ihrem Hals krümmte. Zuerst dachte sie, es wäre Astrophil, doch es fühlte sich nicht an wie das kalte Prickeln seiner Beine. Es fühlte sich … fleischig an.
Petras Gehirn versuchte offensichtlich, ihr zu sagen, dass das flappende Geräusch etwas mit dem zu tun hatte, was da an ihrem Hals krabbelte - und auch, wie sie merkte, über ihren Arm. Sie sah nach unten und schnappte nach Luft.
Fette schwarze Blutegel wimmelten auf ihrem linken Arm. Während sie hinsah, krümmte sich einer, stürzte ab und fiel in eine Schüssel, die neben ihrem Bett stand. Flapp .
Petra langte hin, um die Biester zu zerquetschen, doch jemand packte ihre Hand. Ein kleiner grauhaariger Mann sah sie an und schüttelte den Kopf. Dann deutete er auf die Blutegel und lächelte.
»Was macht Ihr mit mir?«, schrie Petra. »Nehmt die weg!«
Der alte Mann schüttelte wieder den Kopf und antwortete in einer Sprache, die klang wie das Zischeln von Schlangen.
Englisch , dachte Petra mit einem Stöhnen. Schwach wehrte sie sich gegen den Griff des Mannes.
Er machte nur »tss, tss«. Er ließ sie los, goss aber schnell eine streng riechende Flüssigkeit auf ein Taschentuch, das er ihr auf Mund und Nase drückte.
Petra versank wieder in Schlaf.
Unter ihrem Bett wartete Astrophil, der immer hungriger wurde, während die Tage verstrichen.
Jemand strich Petra übers Haar. Nur zwei Menschen hatten das jemals gemacht. Dita und ihr Vater. Vielleicht hatte ihre Mutter es auch getan, doch Petra konnte sich nicht daran erinnern. Als ihre Mutter starb, war Petra noch ein Baby gewesen.
Sie schlug die Augen auf.
Eine Frau saß neben ihrem Bett. Ihr Haar war weiß und hinten zu einem schlichten Knoten zusammengenommen, aber ihre Haut war faltenlos. Ihr Gesicht zeigte keinerlei Ausdruck. Es gab kein Verziehen von Lippen oder Wangen, kein Stirnrunzeln.
»Hallo«, sagte die Frau mit monotoner Stimme. »Ich bin Agatha.«
Petra, ich bin ja so erleichtert, dass du aufgewacht bist. Du hast mehrere Tage lang geschlafen. Astrophils Worte summten in Petras Kopf. Ich habe mir solche Sorgen gemacht.
Wo bist du?
Ich verstecke mich unter dem Bett. Es ist sehr staubig. Ich halte nicht sehr viel von der Haushälterin der Dees.
Petra blickte auf ihren linken Arm. Die Blutegel waren weg. Die Schrammen von der Berührung der Gristleki waren zwar verheilt, sahen aber noch frisch, gefährlich und entzündet aus.
Sie wandte sich an Agatha. »Da war ein Mann hier …«
»Ja. Doktor Harvey.«
»Er hat mir Blutegel angesetzt!«
»Er hat sie gebraucht, um das Gift aus deinem Blut zu
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