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Das magische Schwert

Titel: Das magische Schwert Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marie Rutkoski
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essen‹. Ich habe ihm gesagt, auf Romanes würde das heißen: ›Ich schlürfe rohe Fischeingeweide. ‹«<
    Nicolas langte über den Tisch und strubbelte ihm durchs Haar. »Bist ein guter Kerl.«
    Andras schnitt eine Zitrone auf. Er biss in ein Stück und zog sich die gelbe Schale von den Zähnen. »Ich weiß nicht, warum ihr euch ausgerechnet über einen der wenigen Gadsche so lustig macht, der versucht, unsere Sprache zu lernen.«
    »Ein Hund kann sich hinsetzen und betteln«, sagte Neel. »Das macht ihn noch nicht zum Menschen.«
    »Warum will er überhaupt Romanes lernen?«, fragte jemand.
    »Der schleimt sich doch nur bei uns ein.«
    »Er versucht einfach, über die Runden zu kommen.«
    »Der hat irgendwas vor«, sagte Neel. »Jedenfalls würde ich das so machen.«
    Ein Vater von fünf Kindern, dessen Familie von der Pacolet gerettet worden war, bemerkte: »Ich mag den Jungen nicht mehr als die meisten von uns, aber ich kann immer noch nicht glauben, dass wir ihn tatsächlich verkaufen wollen. Unser Volk macht das nicht. Wann in der Geschichte der Roma haben wir jemals mit Sklaven gehandelt?«

    Alle blickten zu Treb. »Andere Zeiten« - er schob sich eine Rosine in den Mund - »andere Sitten.«
    »Wir könnten ihn doch einfach an Bord behalten, Treb.« Brishen beugte sich vor. »Er ist jung und kräftig. Den Umgang mit den Seilen lernt er schnell genug. Er jammert nicht und er scheint hilfsbereit zu sein.«
    »Das gehört alles zum Spiel«, sagte Neel. »Ich bin ein Lovari. Ich kenn mich da aus.«
    »Nicht jeder ist so hinterhältig wie du«, sagte Nadia. »Nur weil du in die Spielzeugkiste von dem böhmischen Prinz gegriffen hast und darüber das Maul nicht halten kannst, bedeutet das noch lange nicht …«
    »Neel hat seinen Clan mit den gestohlenen Juwelen gerettet.« Andras zeigte mit einer Karotte auf sie.
    »Also, wenn wir jetzt über Leute reden, die nicht dazugehören, warum sprechen wir dann nicht über ihn?«, erwiderte Nadia. »Neel ist ein Lovari. Das hat er selbst gesagt! Warum ist er jetzt plötzlich einer von uns?«
    »Nadia«, flüsterte Brishen leise und blickte auf die Familien vom Schlupflochstrand, »etwas mehr Feingefühl. Nicht jeder hier gehört zu unserem Stamm.«
    Sie biss sich auf die Lippe. »Das hab ich nicht so gemeint. Was ich sagen will, ist, dass Neel zur Mannschaft der Pacolet gezählt wird. Er hat eine Stimme bei unseren Entscheidungen, gerade als wäre er ein Maraki. Aber er ist keiner!«
    »Neel ist auf meine Bitte hin hier«, sagte Treb. »Ende der Geschichte. Und was nun den böhmischen Jungen betrifft, ist für mich eine Sache so klar wie ein wolkenfreier Himmel nach dem Regen: Über sein Schicksal wird nicht abgestimmt. Ich bin euer Kapitän, und was ich in dieser Sache bestimme, passiert auch. Morgen erreichen wir Sallay. Wir verkaufen
ihn auf dem Markt und er wird uns einen ordentlichen Betrag einbringen. Dann füllen wir unsere Vorräte auf und segeln weiter.Wenn ihn welche von euch lieb gewonnen haben, ist das nicht mein Problem. Ich habe davor gewarnt. Dieses Schäfchen ist zum Verzehr vorgesehen.«

    In Tomiks Zelle war es dunkler als dunkel. Der Bunker befand sich ganz unten im Schiff, im Frachtraum. Er fragte sich, was wohl auf der anderen Seite der hölzernen Schiffswand schwamm: Haifische, Wale oder einfach ein Schwarm kleiner Fische, die von dem großen Schiff, das an ihnen vorbeisegelte, aufgeschreckt worden waren.
    Er stellte sich vor, wie die Fische mit aufglitzernden Schuppen davonstoben.
    An Tomiks erstem Tag auf der Pacolet hatte er sich übergeben. Mehrfach. Er hatte das Gefühl, dass sein Magen ihm die Kehle hochkrabbeln wollte und sein Gehirn im Schädel herumschwappte. Als Andras seine Zellentür aufschloss und ihn hoch an Deck führte, war er vom Licht der Sonne wie betäubt. Der Wind nahm ihm die Seekrankheit und trug sie fort. Von da an verbrachte er jede Minute, die er konnte, an Deck und ließ seine Haut die salzige Luft einsaugen. Er sah sich das Schiff genau an und versuchte zu begreifen, wie die Segel funktionierten. Er hörte der Mannschaft zu und lernte ihre Sprache. Er versuchte auch zu fischen, aber das war kein Erfolg.
    Tomik hätte sich in das Leben an Bord verlieben können. Unter anderen Bedingungen. Ganz anderen Bedingungen.
    Auf Händen und Knien tastete er sich durch die Zelle. In der einen Ecke befand sich eine Schüssel mit Essen, in einer anderen stand ein Nachttopf. In der ersten Nacht seiner Gefangenschaft
hatte er die beiden

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