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Das magische Schwert

Titel: Das magische Schwert Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marie Rutkoski
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zusammengesackt lag.
    »Er war hier von zehn Uhr bis ungefähr elf Uhr morgens«, sagte Cecil. »Er hatte sich die Bibliothek für seine privaten Studien reserviert, und soweit wir wissen, ist niemand hereingekommen.«
    Dee untersuchte den Toten und blickte ihm sorgfältig in Gesicht und Mund. »Petra.«

    Sie stand neben Robert Cecil. Das Kinn des Toten war bereits grau, und es kam Petra so vor, als würden ihre Narben brennen.
    »Von einem toten Mann ist nichts zu befürchten«, sagte Cecil leise.
    »Das stimmt nicht immer«, bemerkte Dee. Nach dieser wenig behaglichen Feststellung, die kaum dazu beitrug, Petra die Grauen Männer vergessen zu lassen, befahl Dee: »Petra, komm her.«
    Da sie nicht wollte, dass er sie für ängstlich hielt, ging sie zu ihm hin.
    »Viele Gifte sind metallisch«, fing Dee an.
    »Das weiß ich«, fauchte Petra. »Glaubt Ihr, mein Vater hätte mich nicht vor den Gefahren des Metalls gewarnt?«
    »Dann setz das Wissen nutzbringend ein und sag mir, ob irgendetwas an Gabriel Thorn ungewöhnlich aussieht.«
    »Er sieht tot aus.«
    »Sehr aufschlussreich, meine Liebe. Wenn deine Augen schon so viel in Erfahrung gebracht haben, dann stell dir mal vor, was es ergeben könnte, wenn du ihn berührst.«
    Petra schreckte zurück. Sie verstand, was Dee wollte. Sie musste daran denken, wie Tomik ihr den Glühstein in die Hand gegeben hatte und wollte, dass sie erriet, welches Metall darin sei. Sie schob die Hand in ihre Tasche und legte die Finger um die einzige Sache, mit der sie neben Astrophil und dem Schwert ihres Vaters ihr Zuhause verlassen hatte. Sie drückte Tomiks Glühstein nicht, sondern berührte nur seine glatte Form. Sie hielt sich oft an ihm fest, wenn sie alleine war.
    Oder Angst hatte.
    »Ich berühre keinen Toten«, erklärte sie.

    »Das musst du auch nicht, wenn das zu erschütternd ist«, sagte Dee. »Renn auf alle Fälle weg und versteck dich.«
    Petra wusste, dass das, was er sagte, ein Trick war, doch er funktionierte trotzdem. Sie wollte tapfer sein und fragte sich allmählich, ob Dee nicht doch recht hatte mit der magischen Begabung.Vielleicht war sie ja etwas Besonderes.
    Sie merkte, wie sie vortrat. Schnell, ehe sie ihre Meinung ändern konnte, legte sie die flache Hand auf Gabriel Thorns Stirn. Sie war kalt und hart.
    »Denke nicht darüber nach, was du berührst«, sagte Dee. »Denke darüber nach, was da drin ist.«
    Petra erinnerte sich an die Themse und wie undurchsichtig das Wasser war. Irgendwo unter der Oberfläche war ein Boden - schlammig, alt und weit von der Sonne entfernt. Sie dachte nicht mehr an die Rundung des Schädels unter ihrer Hand.
    Das Bild einer hellen, quirligen Flüssigkeit trieb durch Petras Kopf. Sie erkannte sie. »Quecksilber.«
    »Gut«, sagte Dee. »Lass die Augen geschlossen.«
    Sie hatte gar nicht gemerkt, dass sie das schon waren.
    »Jetzt wird es schwieriger«, fuhr Dee fort. »Kannst du mir sagen, wie lange das Quecksilber schon im Blut ist? Lange Zeit? Seit heute Vormittag oder länger?«
    Petras Lippen formten automatisch die Antwort: »Ein bisschen nach zehn Uhr.«
    »Das langt.« Dee hob ihre Hand von der Stirn des Westens. Petra riss sie weg und wiegte sie in der anderen. Sie war kalt. Petra blickte Dee erstaunt an und hatte den Eindruck, die Welt würde schwanken.
    »Das ist mit Verlaub nur ihre Meinung«, sagte Robert Cecil.
    »Für mich gilt sie«, erwiderte Dee. »Was Petra sagt, stimmt
mit bestimmten Erscheinungen am Körper des Toten überein. Siehst du, wie rosig seine Backen sind?«
    »Das könnte vom Wein kommen.«
    »Richtig. Er riecht danach. Aber wo ist dann die Flasche? Wo sein Glas? Wenn niemand den Raum betreten hat, müssten diese Gegenstände noch hier sein.«
    Cecil blieb still.
    »Gabriels Mund und sein Zahnfleisch sind ebenfall kräftig dunkelrot«, fuhr Dee fort. »Das und die kräftige Färbung seiner Backen sind Symptome einer Vergiftung mit Quecksilber.«
    Cecil seufzte. »Ich werde es der Königin weitergeben.«
    »Der Schlüssel, so glaube ich, wird darin liegen, herauszubekommen, warum Gabriel heute Morgen die Bibliothek für sich reserviert hat, und ob er tatsächlich allein war.«
    Cecil strich sich müde über die Stirn. »Wie besorgniserregend. Gabriel war nicht immer besonders beliebt, doch die Vorstellung fällt schwer, dass ihn irgendjemand tot wünschte. Na, außer …« Er warf Dee einen Blick zu und räusperte sich vor Verlegenheit.
    Außer dir. Petra war sich sicher, dass Cecil das hatte sagen

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