Das Mal der Schlange
hütete es wie einen Augapfel. Nur wenige Zeitjäger wussten davon und kaum einer war je hier gewesen.
Ihr Gast in dem breiten Bett streckte sich und verschränkte locker die Arme hinter dem Kopf. Er betrachtete Ilarias zierliche Gestalt gegen die Mittagssonne. Neben ihr standen zwei ausladende Palmen und über ihr erstreckte sich der wolkenlose, azurblaue Himmel Italiens. Die weißen Vorhänge des Schlafzimmers bewegten sich leicht in der warmen Brise.
Auf keinen Fall würde er einen Fuß hinaus auf die offene Terrasse setzen.
Und er hatte auch darauf bestanden, dass sich sämtliche Dienstboten aus dem Haus entfernten, wenn er zugegen war. Diskretion war seine Lebensversicherung und Ilaria in ihrem verliebten Zustand war seiner Meinung nach nicht gerade verlässlich, was die Geheimhaltung ihres Arrangements anging.
Er lächelte dünn. Sie wäre sicher enttäuscht, wenn sie wüsste, was er von ihrer tiefen Liebesbeziehung hielt.
Es fiel ihm zunehmend schwerer, den Schein zu wahren und den verliebten jungen Mann zu spielen, aber es musste sein. Das Lächeln gefror auf seinen Lippen, als er im Kopf überschlug, wie lange er dieses Theater noch zu spielen hatte – Jahrzehnte, wenn es schlecht lief… Aber er würde durchhalten, das Ziel immer im Blick. Am Ende würde er der Gewinner sein. Und was machte es dann schon, dass er einige langweilige Nächte mit Ilaria hatte verbringen müssen.
Sie war knabenhaft, zierlich und absolut unerotisch. Obwohl sie nach außen hin stark wirkte und ihre Aufgaben gewissenhaft erfüllte, war sie in seinen Händen nicht mehr als ein wehrloses, williges und wenig amüsantes Instrument. Wenigstens war sie eine gute Schauspielerin und schien in ihrer Rolle aufzugehen. Wie hingebungsvoll! Die Art von Frau, die er absolut abstoßend fand. Aber man musste mit den Gegebenheiten arbeiten, die man vor Ort fand. Und es sah so aus, als ob seine Rechnung aufgehen würde. Endlich.
„ Eine neue Jägerin?“, fragte er, „Wirklich? Wer ist es denn?“
„ Sie kommt aus England. Ihr Name ist Emmaline.“
Sein Herz schlug schneller. Emmaline. Seit Jahrhunderten war keine so starke Kriegerin mehr geboren worden. Er hatte ihren Weg verfolgt, seitdem das Volk von ihrer Existenz informiert worden war - seit damals, als sie ihren Eid geschworen hatte und ihre Worte zu jedem ihrer Brüder und Schwestern getragen worden waren. Natürlich hatten sie nicht gewollt, dass auch er davon erfuhr, aber niemand konnte etwas dagegen tun. Das gesprochene Wort des ewigen Eides, das hinaus hallte ins Universum, erreichte alle Zeitkrieger, gut oder böse, rechtschaffen oder nicht, konform oder abtrünnig.
„ Anscheinend hat es dort Schwierigkeiten gegeben“, fuhr Ilaria eifrig fort.
Sie war wieder ins Schlafzimmer zurückgekommen und hatte sich an ihn geschmiegt. Pflichtbewusst legte er den Arm um ihre Schulter.
„ Sie war die Verlobte von Nathaniel Robertson, der sich jetzt Turner nennt, aber kurz vor der Hochzeit ist sie nach einem schrecklichen Streit davon gelaufen. Ich habe sie schon kennen gelernt, sie selbst spricht nicht darüber. Aber man sagt, Adam MacFarlane hätte die Hände im Spiel gehabt. Er ist angeblich selbst in Emmaline verliebt und hat einen Keil zwischen sie und Nathaniel getrieben.“
Es kostete ihn keine Mühe, überrascht zu wirken. „Tatsächlich? Das scheint eine sehr besondere Frau zu sein, wenn sie von zwei der besten Jäger geliebt wird.“
Ilaria sah ihn argwöhnisch an, „Dann werde ich wohl dafür sorgen müssen, dass sie dir nie begegnet, damit nicht auch du noch Gefühle für sie entwickelst, Tristan!“
Wie berechenbar sie war, „Aber ich liebe doch nur dich, Ilaria, für immer! Du bist alles, wonach ich immer gesucht habe!“
Teilweise stimmte das sogar – er hatte sie ausgewählt, damit sie ihm beschaffte, was er wollte.
Er liebkoste ihre Schulter, sie erschauerte, „Wenn diese Emmaline tatsächlich eine so starke Kriegerin ist und wenn sie auch noch die beiden anderen im Schlepptau hat, bekommen wir auf einen Schlag drei Verbündete. Wir müssen sie auf alle Fälle von unserer Sache überzeugen, aber ich kann unmöglich in Erscheinung treten. Noch nicht.“
Hellgraue Augen blickten schmeichelnd auf Ilaria. Sie konnte dem hilfesuchenden Ausdruck in seinem perfekten Engelsgesicht nicht widerstehen. Was immer Tristan wollte, sie würde es ihm geben – was es auch kostete.
„ Verlass dich ganz auf mich.“
„ Aber wir sollten nichts überstürzen. Was sind
Weitere Kostenlose Bücher