Das Mal der Schlange
vorsichtig.
Emmaline zog mit dem Finger die Form seiner Augenbraue nach.
„ Ich will nicht, dass du gehst“, sagte sie ehrlich.
Er hielt ihre Hand fest und zog sie an seine Lippen. „Ich bin froh, dass ich dich auf der Brücke gesehen habe“, flüsterte er.
Im Mondlicht sah er, wie eine Träne ihre Wange hinunter lief. Er zog sie auf seinen Schoß und hielt sie fest.
„ Was ist mit uns passiert, Daniele?“
„ Das Schicksal hat uns zusammengeführt und dieser dämliche Krieg versucht uns dazwischen zu funken.“
Sie verschränkte eine Hand in seinem Haar und küsste ihn, mit ihrer Zungenspitze zog sie die Form seiner Oberlippe nach. Er drückte sie an sich und küsste ihren Hals und den Ansatz ihrer Brüste, bevor er ihren Mund wieder mit seinen Lippen verschloss.
„ Wenn sie mich gehen lassen, werde ich morgen zu dir kommen, dann haben wir noch sieben gemeinsame Tage. Aber wenn ich bis zwölf Uhr mittags nicht bei dir bin, dann haben sie mich nach Frankreich abkommandiert. Ich kann nicht verlangen, dass du dann auf mich wartest, aber ich würde dir wenigstens gerne schreiben.“
„ Ich werde auf dich warten.“
„ Wirklich?“
Sie nickte ernst „Wenn du möchtest, dass ich warte, bis du nach Hause kommst, dann werde ich auf dich warten. Zeit spielt für mich keine Rolle.“
Er nahm ihr Gesicht in beide Hände, „Oh Gott, ja, Emmaline, das möchte ich. Was ist das nur für ein schrecklicher Krieg, der uns bestenfalls unsere Jugend und schlimmstenfalls das Leben kostet?“
„ Auch das wird vorübergehen und dann wird die Welt wieder schöner werden.“
Er fuhr sie auf der Vespa nach Hause und Emmaline hoffte die ganze Zeit, dass dies nicht das letzte Mal sein würde, das sie mit ihm durch die nächtliche Stadt fuhr.
Vor ihrer Haustür stieg sie ab. „Es gibt kein Schild“, sagte sie, „Aber das hier ist meine Klingel. Ich werde den ganzen Tag zu Hause sein und hoffen, dass sie uns noch etwas Zeit zusammen schenken.“
„ Falls dem nicht so ist, würdest du dann ab und zu einmal bei meinen Großeltern nach dem Rechten sehen? Ich bin ihr einziger Enkel und sie sind nicht mehr die Jüngsten.“
„ Natürlich, das mache ich sehr gerne. Aber du wirst morgen deinen Urlaub bewilligt bekommen.“
„ Das hoffe ich.“
Er küsste sie ein letztes Mal.
„ Daniele“, rief sie ihm nach, als er losfahren wollte.
„ Ja?“
„ Ich bin froh, dass du mich auf der Brücke gesehen hast!“
26.
Am Ende der Via della Lungaretta stand eine alte Kirche, das Schmuckstück von Trastevere. Die Glocken hatten bereits vor drei Stunden das Mittagsläuten eingestellt.
Emmaline saß unbewegt im Schatten auf ihrer Dachterrasse, unter ihr war die Gasse menschenleer in der der Hitze des Nachmittags.
`Er wird nicht zurück kommen`, dachte sie, `Und dann?`
In ihrem Herzen kannte sie die Antwort. `Dann wird alles so weitergehen, wie bisher. Ich werde weiter töten, wie ich es geschworen habe. Und ich werde dafür sorgen, dass es seiner Familie an nichts mangelt. Und ein paar Jahrzehnte lang werde ich hoffen, ihn doch eines Tages wiederzusehen. Ein Menschenleben lang.`
Sie hatte eine Entscheidung getroffen, auf der Engelsbücke, als sie ihn in ihr Leben gelassen hatte. Und wie immer, würde sie auch die Konsequenzen dafür tragen.
Fünf Stockwerke tiefer wurde der Klingelknopf gedrückt.
Atemlos hastete sie nach unten und riss die Tür auf. „Daniele!“, er stand tatsächlich vor ihr in seiner Uniform, die Mütze in der Hand. Sie flog in seine Arme, „Oh Gott, ich dachte schon, du kommst nicht mehr! Hast du den Urlaubsschein?“
Er nickte wortlos. Sie zog ihn in den Flur während er sie leidenschaftlich küsste und ließ die Tür wieder ins Schloss fallen.
Lachend gab er sie für einen Moment frei. „Verzeih mir, es hat viel länger gedauert als ich dachte. Aber ich musste noch andere Papiere beantragen und etwas besorgen.“
„ Was musstest du denn besorgen?“
Er legte ein graues Formular auf die kleine silberne Konsole unter dem Flurspiegel.
Es war eine Heiratserlaubnis.
„ Ich weiß, es ist verrückt, wir wissen nichts voneinander, aber du bist alles, wonach ich jemals gesucht habe.“
Emmaline schlug die Hand vor den Mund.
„ Es ist Krieg.“, fuhr er fort, „ Und ich kann dir keine gemeinsame Zukunft versprechen, nur sieben Tage. Auch wenn ich alles dafür gäbe, mit dir alt zu werden. Wenn du schon auf mich wartest, möchte ich, dass du das als meine Frau tust. Wenn ich an meine
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