Das Mallorca Kartell (German Edition)
wenn mich endlich jemand unterstützt. Das ist alles.« Damit erhob sich der alte Herr und verabschiedete sich.
20. April
Cristina hielt ihr Versprechen. Noch am selben Tag hatte sie Jesús über die Bauarbeiten auf Sa Mola unterrichtet. Herr Balder hatte die Unterlagen per Kurier ins Büro der GOB gesandt, die noch am vergangenen Nachmittag mit einem ausführlichen Bericht an die Anwälte des GOB weitergeleitet worden waren. Normalerweise wäre es in die Zuständigkeit der Kanzlei Carlos Súarez-Alonso gefallen, da diese jedoch ebenfalls das Mandat niedergelegt hatte, wurde der Fall der kleinen, aber engagierten Kanzlei Hermanos Fullana in Palma übergeben. Die Kanzlei hatte einige Anzeigen von Anwohnern der Cala Llamp in Puerto Andratx übernommen. Auch diese Fälle waren zur großen Verwunderung Cristinas nicht von Súarez-Alonso vertreten worden, und das, obwohl ihr Chef Jesús mit Carlos gut befreundet und die Kanzlei auf Immobilienrecht spezialisiert war.
Die Fullana-Brüder hatten sich sofort an die Arbeit gemacht und zwischenzeitlich einen bemerkenswerten Bericht abgeliefert. Es lagen offizielle Genehmigungen vor, was eine einstweilige Verfügung gegen den Fortgang der Bauarbeiten erschwerte. Die Gebrüder bestätigten Herrn Balders Verdacht, dass einige Stellen im Rathaus Andratx bestochen worden seien. Es mussten weitere Ermittlungen angestellt werden. Um das weitere Vorgehen zu besprechen, war für den heutigen Nachmittag ein Treffen im Büro des GOB angesetzt.
Cristina bereitete nachdenklich die notwendigen Akten für den Termin vor. Ihre Gedanken waren bei ihrer Freundin Ana. Einige ihrer Kollegen im Rathaus mussten korrupt sein und sie rätselte, ob Ana davon wusste. Da es wahrscheinlich um Bestechungen in Millionenhöhe ging, konnte schon ein bloßer Verdacht sie den Job kosten. Dass Ana selbst in diese Affäre verwickelt sein könnte, glaubte sie keine Sekunde, auch wenn ihr Chef so etwas kurz angedeutet hatte. Sie hatte diese Anschuldigung mit einer raschen Handbewegung vom Tisch gefegt. Trotzdem schwankte sie, ob sie Ana von den Ermittlungen erzählen sollte oder nicht. Sie müsste eigentlich darüber Stillschweigen bewahren, doch sie fühlte sich auch Ana gegenüber verpflichtet. Sie war seit Jahren ihre Freundin und hatte ihr ermöglicht, die Grundbucheinträge einzusehen.
Sie würde ihre Entscheidung nach dem Treffen fällen. Vielleicht war alles gar nicht so tragisch. Sie hoffte es zumindest, denn die Ermittlungen würden ganz schön viel Staub aufwirbeln und einige Leute nervös machen.
Beunruhigend fand sie jedoch, dass Herr Balder bedroht worden war. Nachdem Cristina den Besprechungsraum vorbereitet hatte, nahm sie sich eine Tasse Kaffee und ging zu Martin. »Ich kann leider nicht mit zum Mittagessen. Die Akten türmen sich auf meinem Tisch und durch die Besprechung in zwei Stunden verliere ich noch mehr Zeit.«
Martin blickte enttäuscht über seinen blank gefegten Schreibtisch. »Soll ich dir was abnehmen? Wie du weißt, bin ich auf dem Laufenden. Außerdem musst du etwas in den Magen bekommen, sonst fällst du noch vom Fleisch!«
»Du könntest mir etwas mitbringen, oder?« Cristina wälzte nicht gerne ihre Arbeit auf andere ab.
Ihr Chef meinte ebenfalls, sie müsse nicht alles alleine erledigen, schließlich hätten sie auch andere fähige Mitarbeiter. Damit hatte er auch recht. Es hatte sich tatsächlich einiges verändert, und Martin arbeitete sehr zuverlässig. Früher hatte sie Dinge delegiert, die dann liegen geblieben waren. Es hatte sie gestört, immer kontrollieren zu müssen, ob die Arbeiten erledigt worden waren oder nicht. Oftmals waren die E-Mails an die falschen Adressen versandt worden, und darunter prangte in dicken Lettern ihr Name. Seither erledigte sie die Korrespondenz lieber selbst.
»Gib mir etwas von deiner Arbeit ab, dann hast du auch etwas mehr Zeit für dich!«, bohrte Martin weiter. »Außerdem kann ich dir alles zur Kontrolle vorlegen, wenn du möchtest.«
Cristina trank einen Schluck Kaffee. »Also gut. Meine Kleidung muss aus der Reinigung geholt werden, mein Auto zur Inspektion und eine Massage könnte ich auch gut gebrauchen.« Sie sah in Martins entsetztes Gesicht und lachte lauthals. »Das war ein Witz. Obwohl, mein Wagen muss wirklich zum ITV. Aber das schaffe ich gerade noch selbst. Folge mir unauffällig. Wenn sich herumspricht, dass ich meine Arbeit verteile, denkt der restliche Haufen hier noch, ich breche meine Prinzipien!«
Martin
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