Das Mallorca Kartell (German Edition)
wer die Grundstücksumschreibung vorgenommen hatte, war sie noch zurückhaltender geworden. Sie konnte weder Diego noch diesen windigen Anwalt Carlos einschätzen. Jesús traf sich nicht nur beruflich mit den beiden. In seiner Freizeit ging er mit Carlos und Diego zum Essen oder traf sich mit ihnen auf dem Golfplatz. Sie musste zwangsläufig an den Spruch denken: Zeig mir deine Freunde, und ich weiß, wer du bist . In letzter Zeit interessierte sich Jesús mehr für seine alten Kumpels. Zudem hatte er stolz verkündet, er wolle sich eine Villa in den Hügeln von Puerto Andratx kaufen. Das Verhalten passte nicht mehr zu dem Jesús, den sie von früher kannte. Der Jesús von früher war mit seinem Stadthaus und seiner Arbeit glücklich gewesen und hatte sich nichts aus Golfspielen und Luxusvillen gemacht. Sie fing an, an seiner Loyalität gegenüber dem GOB zu zweifeln. Ein weiterer Punkt war gewesen, woher er das Geld für die Villa nehmen wollte. Er war zwar nicht arm, aber für ein Dreimillionenanwesen nicht vermögend genug. Wie gerne hätte sie ihm alles erzählt. So wie früher.
Doch seitdem sein Freund Carlos immer öfter ins Spiel kam, traute sie sich nicht. Carlos war immerhin ein Freund aus Jugendtagen und ohne wirkliche Beweise würde Jesús ihr nicht glauben. Sie müsste es auf einen Versuch ankommen lassen. »Stimmt schon, allerdings haben wir beide mehr um die Ohren, als uns gut tut«, erklärte sie entschuldigend. »Ich wollte dich nicht mit meinen Problemen belasten.«
Jesús stand von seinem Ledersessel auf, als er vor dem Besprechungszimmer laute Stimmen hörte. Der Moment war vorbei. Sie überlegte, ob sie später das Thema wieder aufgreifen sollte. Sie musste irgendwann mit jemandem darüber sprechen.
Jesús öffnete die Tür, um nachzusehen, was der Tumult zu bedeuten hatte. Vor ihm stand Martin, mit blassem Gesicht und einer Sonnenbrille auf der Nase. Neben ihm standen Ángel Martínez Ruíz und ein weiterer Mann.
«Was geht hier vor?«, wollte Jesús wissen.
Cristina erhaschte einen Blick auf Martin. Ana musste etwas passiert sein. Sie erkannte es sofort an Martins zusammengesunkener Haltung. Sie war überzeugt, dass die Sonnenbrille seine verweinten Augen verbergen sollte. Sie erhob sich unsicher aus dem Besprechungsstuhl und ging auf Martin zu. »Es geht um Ana, richtig?«
Martin nickte nur verstört. Cristina spürte, wie sich der Ra um um sie zu drehen begann. Ihr Magen krampfte sich schmerzhaft zusammen und sie musste sich an der Stuhllehne festhalten, um nicht zu schwanken. Sie blinzelte einige Male, wodurch sie wieder etwas zu sich kam. In ihrem Inneren schrie es: Ana ist tot! Sie ist tot! Und du bist schuld! Noch bevor jemand etwas sagte, brach es aus ihr hervor: »O mein Gott. Sie ist tot!« Im selben Augenblick knickten ihre Knie ein und sie sackte neben dem Stuhl zu Boden. Ángel war zuerst bei ihr und fragte besorgt: »Brauchen Sie einen Arzt?« Er zog sie hoch, nahm sie auf die Arme und sah sich um.
Jesús öffnete die Tür zu seinem Büro. »Bringen Sie Cristina hierher, dort steht eine Couch.«
Ángel trug sie in das angrenzende Büro und legte sie auf das Sofa. Es dauerte nur einige Augenblicke, bis sie wieder zu sich fand. Sie setzte sich aufrecht. »Es geht schon wieder.« Dann starrte sie verstört auf den Fußboden. »Ana ist tot, oder?«
Martin ging mit hängenden Schultern zu ihr und setzte sich neben sie. »Ja, sie ist tot.«
Cristina fiel Martin in die Arme und schluchzte aus tiefster Seele. »Ich habe es dir angesehen. Was ist geschehen?« Sie rückte etwas von Martin ab, der kein Wort hervorbrachte. Cristina sah von einem zum anderen. »Hatte sie einen Unfall?«
Martin holte mehrmals tief Luft und sank noch mehr in sich zusammen. Àngel zog einen Stuhl an das Sofa, setzte sich und sah sie mitfühlend an. »Nein, es war kein Unfall. Sie wurde gestern Abend überfallen und erstochen. Ich weiß, es ist furchtbar.«
Die Stille im Zimmer zerrte an Christinas Nerven. »Überfallen?«, fragte sie schließlich nach. »Und erstochen?«
»Ja. Ana war allein im Kino und wurde auf dem Rückweg in ihrem Auto überwältigt. Der Dieb hat sie kaltblütig niedergestochen. Eine Spaziergängerin hat sie heute Morgen gefunden. Da ihre Handtasche und die Schlüssel fehlten, machten wir anhand des Nummernschildes ihre Adresse ausfindig. Es hätte durchaus sein können, dass der Dieb noch die Wohnung ausräumt. Doch dort fehlt offenbar nichts. Wahrscheinlich hat der Täter Panik
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