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Das Marmorne Paradies: METRO 2033-Universum-Roman (German Edition)

Das Marmorne Paradies: METRO 2033-Universum-Roman (German Edition)

Titel: Das Marmorne Paradies: METRO 2033-Universum-Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sergej Kusnezow
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hinterließ.
    »Brennen die Lampen mit gereinigtem Petroleum?«, fragte Sergej im Flüsterton.
    Tichon nickte.
    Das Mädchen lag auf einem alten, klapprigen, ziemlich breiten Schlafsofa auf drei Matratzen oder Kissen sowie unter einer Decke aus sorgfältig und geschickt verarbeiteten Häuten. Nur ihr Kopf war zu sehen, das blasse Gesicht, das, einst schön, jetzt ausgezehrt und von hässlichen Geschwüren und Furunkeln bedeckt war. Ihre dunkelblonden Haare waren kurz geschnitten. Annas Schlaf wurde von zwei Frauen mit grimmigen, schlecht gewaschenen Gesichtern behütet.
    Zu Sergejs Überraschung wirkte die Luft im Zimmer frisch. Woher kommt sie nur, fragte er sich beunruhigt. Haben sie hier womöglich so eine Art Belüftungsanlage? Aber dann kann doch auch Strahlung eindringen … Er blickte sich um. Max dachte offenbar dasselbe, denn er holte leise den Geigerzähler hervor und prüfte die Hintergrundstrahlung. Seiner Miene nach zu urteilen war das Ergebnis jedoch zufriedenstellend.
    Sergej blickte zu Tichon hinüber und war überrascht, mit welcher Zärtlichkeit der Alte seine Tochter betrachtete. Die tränenfeuchten Augen des Mannes schienen buchstäblich ein warmes blaues Licht zu verströmen.
    Denis ging zielstrebig auf die Bettstatt zu. Annas Augen waren geschlossen, der Mund leicht geöffnet, und aus einem
Winkel lief ein feiner Speichelfaden auf die Decke. Das arme Mädchen atmete schwer und röchelnd.
    Der Junge kniff die Augen zusammen und streckte beide Hände mit den Handflächen nach unten über dem Mädchen aus. Die Frauen spähten neugierig hinter dem Rücken des Alten hervor, wo sie sich zunächst versteckt hatten.
    »Was tut er?«, erkundige sich Tichon in kaum hörbarem Flüsterton bei Sergej.
    Dieser antwortete ebenso leise: »Sehen Sie das nicht? Er lauscht .«
    Der Alte warf Sergej einen wilden Blick zu, schwieg aber.
    »Schläft sie die ganze Zeit?«, fragte Denis laut, ohne die Augen zu öffnen.
    »Fast«, entgegnete Tichon mit einem Schluchzen.
    Der Junge murmelte etwas. Sergej konnte ein paar Worte verstehen: »… ein ganz kleines bisschen … rechtzeitig …« Denis ließ die Arme sinken, öffnete die Augen und wandte sich an die Anwesenden im Raum: »Geht raus. Alle. Ich muss mit ihr allein sein.«
    Die Erwachsenen gingen schweigend zur Tür. Sergej war voller Sorge: Er rechnete mit einem Unglück. Schließlich konnte Denis seine Kräfte noch nicht einschätzen. Er wollte einfach helfen.
    Der Junge begleitete die Erwachsenen bis zur Türschwelle, blickte sie streng an und sagte in einem Ton, der keinen Widerspruch zuließ: »Keiner kommt rein.«
    Dann trat er wieder in das Zimmer zurück und schloss die Tür fest hinter sich.
    Die vier Männer und zwei Frauen drängten sich im Gang vor der Tür. Sie waren erschüttert, weniger von dem, was
sie soeben gesehen hatten, als davon, dass der Junge sie aus dem Raum geschickt hatte. Sie alle brannten darauf, zu sehen, was im Zimmer des Mädchens geschah, und jeder von ihnen machte sich seine eigenen Vorstellungen von den Ereignissen. Keiner von ihnen räusperte sich, keiner sprach ein Wort. Wie gebannt starrten sie auf den Streifen Licht unter der Tür, horchten angespannt auf das kleinste Rascheln, das aus dem Zimmer zu ihnen drang.
    Lang blieb alles still. Aber dann nahm Sergej ein Geräusch wahr, das wieder jenem Summen einer Mücke ähnelte, obgleich es diesmal sehr viel lauter war, wie von einem ganzen Mückenschwarm. Gleichzeitig wurde das Licht unter der Tür schwächer. Sergejs Herzschlag beschleunigte sich, er hielt den Atem an, sah sich um und traf auf die besorgten Blicke von Angin und Max.
    Und dann vernahm er das Geräusch eines fallenden Körpers aus dem Zimmer.
    Sergej erstarrte vor Entsetzen, dann stürzte er zur Tür.

3
    »Sobald Denis zu sich kommt, lassen Sie uns gehen«, sagte Sergej. »Sie geben uns unsere Waffen und unsere Ausrüstung zurück und sorgen für ausreichend Reiseproviant.« Er schwieg und blickte auf den Verband an Tichons linker Seite, auf dem schon rote Flecken zu sehen waren. »Woher ist die Wunde?«
    »In der Nacht gab es ein Scharmützel mit den Höhlenmenschen«, entgegnete Tichon Ignatjewitsch und verzog das Gesicht. »Eine verirrte Kugel hat mich erwischt.«
    »Ich hoffe, Ihnen ist klar, dass Denis diesmal nicht helfen wird …«
    »Was gibt’s da noch groß zu reden?« Max war verärgert. »Man hat dir doch alles deutlich erklärt, Alter, oder nicht? Ich warne dich, weck nicht das Tier in mir,

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