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Das marokkanische Mädchen. Ein Fall für Jacques Ricou

Das marokkanische Mädchen. Ein Fall für Jacques Ricou

Titel: Das marokkanische Mädchen. Ein Fall für Jacques Ricou Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ulrich Wickert
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einladenden Handbewegung an, sich dazuzusetzen.
    Jacques stand auf und gab zuerst der Frau, dann dem Mann die Hand. Es waren Ali und seine Frau.
    Neben seiner etwas pummeligen Frau wirkte Ali wie ein spindeldürres Männchen. Aber zäh. Vielleicht fünfzig Jahre alt?
    »Meine Frau spricht kaum französisch«, sagte Ali. »Sie weiß auch nicht, dass ich Ali Baba bin.« Er zwinkerte Jacques verschmitzt zu.
    »Ali Baba ist sowieso eine französische Erfindung«, sagte Jil nüchtern.
    »Ich denke, der kommt in den Geschichten von Tausendundeiner Nacht vor«, sagte Jacques.
    »Nee, keineswegs«, sagte Ali, »das Märchen von ›iftah ya simsim‹ …«
    »Sesam öffne dich!«, übersetzte Jil.
    »Dieses Märchen hat ein Franzose vor dreihundert Jahren erfunden«, fuhr Ali fort, »als er die Geschichten von Tausendundeiner Nacht übersetzt hat. Im arabischen Original kommt Ali Baba nicht vor.« Und dann sagte er mit ernster Miene: »Monsieur le Juge, es ist mir eine große Ehre, Sie kennenzulernen. Ich habe viele Ihrer Fälle verfolgt. Phantastisch, wie Sie die Waffenlieferanten für Angola überführt haben. Wenn ich Ihnen irgendwie helfen kann, dann sagen Sie es mir.«
    Trau niemandem!
    Die Warnung von Margaux hatte sich in sein Bewusstsein eingebrannt.
    Jacques zögerte einen Moment, dann beschloss er, Jils Kontakt doch vorsichtig zu trauen.
    »Ich interessiere mich für zwei Personen. Für den Millionär Georges Hariri, der Name sagt Ihnen vielleicht etwas, und den Eisenbahningenieur Ibrahim Rossi.«
    »Hariri ist hier! Ich habe ihn am Eingang mit einer ganzen Gruppe gesehen«, rief Ali lachend aus. »Er ist eine schillernde Figur mit unglaublichem Einfluss. Nicht nur wegen seines Geldes, sondern auch wegen seines Schwiegervaters, der hier in Marokko ein einflussreicher Unternehmer ist. Und, es wird Sie nicht wundern, der Schwiegervater hat natürlich einen der größten Aufträge bei dem Bahnprojekt, mit dem Hariri zu tun hat, bekommen. Aber an dem Milliardenprojekt möchten viele verdienen. Deshalb hat Hariri in der Regierung auch eine Menge Feinde. Ich habe raunen hören, dass es einige sehr unzufriedene Männer gibt. Ich müsste mich mal ein wenig umhören, wer dahintersteckt. Das Bahnprojekt hat aber auch viele Gegner im Volk. Vergangenen Herbst haben in Rabat, Casablanca, hier in Marrakesch und vielen anderen Städten Tausende gegen den TGV demonstriert. Der Superschnellzug kostet mindestens sieben Milliarden. Dafür könnte man Schulen, Landstraßen, Kliniken bauen. In vielen Dörfen gibt es keinen Unterricht für die Kinder. Und bis hier demonstriert wird, muss der Zorn unter den Leuten schon groß sein.«
    »Und Ibrahim Rossi …«
    Jil stupste Jacques an und flüstere ihm zu: »Dahinten an der Tür zur Bar, da kommt gerade Hariri.«
    Ein braun gebrannter Mann, vielleicht Anfang fünfzig, beugte sich zu einer hübschen jungen Frau, die in einer fröhlichen Gruppe saß, zog sie sanft zur Seite, legte die Hand auf ihre Schulter und redete auf sie ein. Sie nickte mehrmals, strahlte ihn an und setzte sich wieder. Keiner ihrer Freunde schien die kurze Unterbrechung bemerkt zu haben. Wenige Minuten später brachte ihnen ein Kellner eine Flasche Champagner im Kühler und frische Gläser.
    »Das ist doch aber allzu klar, was da abläuft«, sagte Jil. »Ob die glauben, dass keiner was gemerkt hat?«
    »Ich wäre vorsichtig an seiner Stelle«, sagte Ali. »Sie ist auch die Geliebte des Generalstaatsanwalts. Und der ist kein freundlicher Kerl.«
    »Und Ibrahim Rossi, kennen Sie ihn? Er arbeitet im Ingenieurbüro des TGV , könnte aber auch was mit Drogen zu tun haben«, fragte Jacques.
    »Nein, ich kenne ihn nicht. Aber das Büro gehört auch Hariri. Ich werde mich erkundigen. Das kann ein oder zwei Tage dauern. Wie lange sind Sie in Marrakesch?«
    »Das weiß ich noch nicht, sicher ein paar Tage. Wie können wir uns verabreden?«
    »Ich gebe Ihnen über Jil eine Nachricht.«

Lindas Verrat
    L inda klingelte morgens um sieben Uhr an der roten Eingangstür des Wohnblocks. Es dauerte einen Moment, bis der Summer ertönte. Sie war müde von der Nachtschicht. Aber Gao Qiu hatte sie bedrängt, so schnell wie möglich herauszufinden, in welchem Zimmer das Mädchen jetzt untergebracht war. Zuerst war er nur streng gewesen. Als sie ihm keine genauen Angaben machte, wurde er fast zornig.
    Jetzt wusste sie Bescheid.
    Sie nahm den Aufzug in die siebte Etage. Linda fühlte sich schon fast zu Hause.
    Als die Gäste des

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