Das marokkanische Mädchen. Ein Fall für Jacques Ricou
dann zur Grundsteinlegung zu kommen. Hat er auch gemacht. Sechzig Prozent gibt Frankreich als Kredit, vierzig Prozent geben die Golfstaaten. Also ein gutes Geschäft für Marokko. Und auch ein gutes Geschäft für die französische Industrie. M 6 hat sich bei Sarko schließlich artig bedankt. Er soll ihm eine wunderbare Villa im königlichen Areal in Marrakesch geschenkt haben. Auf jeden Fall hat Sarko da schon einige Wochen Urlaub gemacht. Nach seiner verlorenen Wahl.«
»Stimmt das? Das wäre Korruption!«
»Es hat so zumindest schon in einigen arabischen Zeitungen gestanden. Im Grundbuch wird es nicht verzeichnet sein, wenn du das meinst.«
»Trotz allem: das wäre mal interessant zu untersuchen. Ist Sarkozy von dem marokkanischen König bestochen worden? Irre Geschichte von Bestechung. Muss ich mir merken. Könnte ich mal als Fall anleiern.«
»Das gehört hier zum Alltag. Und ich bin sicher, bei dem Bauauftrag für den Superschnellzug werden Millionen fließen, eindeutig Korruption.«
»An wen denkst du?«
»Regierung. Militär. Baufirmen. Jeder, der nur in die Nähe des Vertragsabschlusses kam, wird die Hand aufgemacht haben.«
Brahim kam erst gegen halb elf zurück. Jil forderte ihn auf, sich zu ihnen zu setzen, aber er blieb lieber stehen.
Dreizehn Tote. Elf Franzosen, eine Bettlerin, die vor dem Haus saß, der marokkanische Busfahrer. In der Stadt stehen Polizisten und Militär an jeder Ecke. Vor den meisten Hotels sind Straßensperren eingerichtet worden. Und die Geheimpolizei hat schon mit den ersten Verhaftungen begonnen.
»Irgendeinen Täter werden die in den nächsten Tagen schon präsentieren«, sagte Brahim. »Wahrscheinlich einen Islamisten. Ganz gleich, ob er es war. Übrigens war Ibrahim Rossi einer der ersten, der verhaftet wurde.«
»Sind Sie sicher? Woher wissen Sie das?«, fragte Jacques.
»Wir Gwana haben unsere eigenen Netzwerke. Und manche von uns sind auch bei der Polizei. Sie, Monsieur le Juge, werden noch nicht gesucht. Aber wenn Rossi ausgesagt hat, wird das vielleicht anders sein. Morgen früh weiß ich mehr.«
»Haben Sie etwas gehört, wer dahinterstecken könnte?«, fragte Jacques.
»Unter der Hand sagt man im Militär, der Anschlag sei zu groß gewesen für eine islamistische Gruppe. Mir hat jemand gesagt, er habe einen besonderen Verdacht … aber bitte schön, das klingt jetzt ziemlich verrückt, hat er auch gesagt … das war ein millitärisch geplantes und durchgeführtes Unternehmen. Aber warum sollte das Militär Franzosen in die Luft jagen, die eine TGV -Strecke bauen?«
Jacques hob Schultern und Arme. Dann schüttelte er den Kopf.
Brahim verbeugte sich, schaute Jil fragend an, die ihm zunickte und ging.
»Ja, das klingt verrückt. Wirklich verrückt«, sagte Jacques nach einem Moment des Überlegens. »Aber ich sage, man muss auch den unwahrscheinlichen Spuren nachgehen. Gut, das ist jetzt die Aufgabe von jemand anderem. Ich stelle mir nur die Frage, wie ich mich verhalten soll.«
»Du könntest gleich morgen früh abfliegen, oder?«
»Ungern. Ich würde gern noch Ali treffen. Ibrahim ist verhaftet, an den komme ich nicht mehr ran …«
»Vielleicht ist er morgen früh wieder frei?«, sagte Jil. »Das ist nicht ausgeschlossen.«
»Und ich hätte gern ein Gespräch mit Hariri. Es ist nur die Frage, wie ich an den rankomme. Kannst du mir da helfen?«
Inzwischen war es kurz vor Mitternacht. Jil goß sich noch ein halbes Glas Rosé ein. Dann war auch die Flasche leer.
»Sollen wir noch eine Flasche öffnen, oder möchtest du jetzt den üblichen Whisky als Nachttrunk?«, fragte sie.
Jacques lachte: »Hat dir Jean meine ganze persönliche Akte geschickt? – Gern einen Whisky. Aber diesmal ohne Wasser. Vielleicht mit zwei Eiswürfeln.«
Jil brachte eine Flasche Scotch, ein Glas und einen Krug mit Eiswürfeln.
»Gieß dir selbst ein.«
Sie setzte sich auf den Diwan neben Jacques, zog die Beine hoch und lehnte sich an ihn.
»Das kann heikel werden für dich«, sagte sie. »Ich überlege, ob wir dich nicht heute Nacht noch ausfiltern sollten.«
»Ausfiltern? Bin ich Kaffee?«
»Als jemand, der sich mit Drogenkurieren befasst, habe ich gute Kontakte zu gewissen Kreisen, die dir helfen könnten, unterzutauchen.«
Jacques goss sich einen starken Whisky ein, ließ zwei Eiswürfel ins Glas fallen und nahm zwei große Züge. Als er die Wirkung spürte, fühlte er sich wohler. Er entspannte sich.
»Jil, vergiss nicht: Ich bin kein Marokkaner, sondern
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