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Das marokkanische Mädchen. Ein Fall für Jacques Ricou

Das marokkanische Mädchen. Ein Fall für Jacques Ricou

Titel: Das marokkanische Mädchen. Ein Fall für Jacques Ricou Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ulrich Wickert
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machte Jacques auf einen Haufen Abfall aufmerksam. Offenbar hatte jemand den Brunnen als Müllhalde missbraucht.
    Einmal stolperte Jacques über eine Konservendose, dann stieß sein Fuß gegen eine Glasflasche. Nach drei weiteren Brunnen bat er um eine Pause. Aber Brahim hetzte ihn weiter. Noch zwei Brunnen. Dann ruhen wir uns kurz aus. Jetzt war die Wand des Kanals feucht, und eine dicke Wurzel hing herunter, gegen die er mit dem Kopf schlug.
    »Feigenbaum«, sagte Brahim.
    Endlich lehnten sie sich mit den Rücken gegen die Seitenwand und hielten an.
    Jacques fragte, wer sie wohl verfolgt hätte.
    Brahim sagte, die Leute, die hinter dem Baggerunfall steckten, wollten Zeugen beseitigen. So einfach sei das. Aber woher wussten die von ihnen? Zum einen wusste es der Motorradfahrer. Der hatte das Auto gesehen. Aber vielleicht waren noch andere daran beteiligt gewesen, die sie nicht gesehen hatten.
    Aber woher wussten die, welche Strecke sie zurückfuhren?
    Brahim schwieg. Ob er nachdachte oder es nicht aussprechen wollte?
    Jacques schwieg. Er hatte eine Vermutung.
    War es wirklich so einfach?
    Der Angriff hatte erst stattgefunden, nachdem Ali ausgestiegen war.
    Trau niemandem?
    »Gehen wir weiter«, sagte Brahim. »Wir haben noch einen langen Weg vor uns.«
    »Können wir nicht irgendwann raus und oben schauen, wie wir bequemer weiterkommen?«
    »Lieber nicht. Hier sind wir sicher.«
    »Du willst doch nicht bis Kik in dem Kanal gehen?«
    »Warum nicht?«
    »Wie weit ist das noch?«
    »Drei oder vier Stunden. Aber es ist sicher. Das hat mir der Djinn geflüstert. Und es ist klug, auf den Djinn zu hören.«

Das Rätsel des Marabout
    D ie letzten zweihundert Meter war Jacques nur noch mit Mühe hinter Brahim hergekrochen. Im Finstern. Plötzlich durchzuckte ihn ein unerträglicher Schmerz im Oberschenkel. Er schrie kurz auf und setzte sich. Halb ins Wasser, halb neben die Rinne. Ein Krampf. Er streckte das Bein aus und drehte die Zehen nach oben. Brahim machte sofort kehrt. Halt das Bein steif. Er packte es am Unterschenkel und drückte den Fußballen nach oben. Der Krampf löste sich, der Schmerz ließ nach.
    Jacques vermutete, dass es kurz vor Mitternacht war. Seit mehr als drei Stunden liefen und krochen sie schon durch die Rettaras.
    »Das ist doch Unsinn, Brahim.«
    »Das ist sicher, Jacques.«
    »Ich kann nicht mehr, Brahim. Wir müssen raus.«
    Brahim schwieg.
    »Schaffst du’s zum nächsten Brunnenschacht?«
    »Ich will es versuchen. Wie weit ist es noch?«
    »Hundert, hundertfünfzig Meter.«
    Der Krampf kehrte noch mehrmals zurück. Jacques ächzte vor sich hin. Der Djinn gibt mir ein Zeichen, dachte er. Aber er behielt es für sich. Aus Vorsicht. Vielleicht glaubte Brahim ersthaft an diese merkwürdigen geisterhaften Plasmawesen.
    Inzwischen plagte ihn entsetzlicher Hunger.
    Die Öffnung des Brunnenschachts nach oben war ziemlich eng. Vom Himmel warf der Vollmond einen Strahl hellen Lichts in die Tiefe.
    »Wie um Gottes willen kommen wir hier raus?«, fragte Jacques.
    Der Brunnenrand lag gut vier Meter über ihnen. Brahim stieg in die Hände von Jacques, nutzte dessen Schultern und den Kopf als Treppenstufen und überbrückte die letzten Meter, indem er sich rechts und links mit den Beinen an der unebenen Wand abstützte. Brahim sah sich um und überlegte, wie er Jacques aus dem Brunnen holen könnte.
    Jacques war inzwischen völlig erschöpft, an die Brunnenwand gelehnt, tief eingeschlafen. Als er seinen Namen hörte, wusste er nicht, wo er war. Er glaubte sich in seinem Bett in Paris. Jacques! Monsieur!
    »Ich habe einen langen, festen Baumast«, hörte er Brahim, »den ich jetzt runterlasse. Daran kannst du hochklettern.«
    Jacques wusch sich in der Rinne kurz das Gesicht, nahm einige Schluck Wasser und mühte sich nach oben.
    Brahim zog ihn über den Rand des Erdhügels. Als Jacques zusammensackte, fing er ihn auf und lehnte ihn gegen die Erdwand. Einige Meter entfernt stand ein Mann in schmutzigem Kaftan. Brahim rief ihm einen Befehl zu. Er lief weg und kam mit einer Karre, gezogen von einem Maulesel, zurück.
    »Der Mann fährt zum Markt nach Kik und nimmt uns auf der Ladefläche, versteckt hinter Gemüsekisten, mit. Er fährt nur über Feldwege. In Kik wird uns niemand suchen.«
     
    Jacques erlebte die Nacht in Kik wie in Trance.
    Brahim hatte ihm einen schmutzigen Kaftan besorgt, der nach seinem Besitzer roch, ihm einen Turban umgebunden und in einen kleinen Raum verfrachtet, der nur durch einen

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