Das Mars-Labyrinth: Roman (German Edition)
Grinsen? Ich werde jeden Moment an den Fels geschmettert, und sie grinst? Grausame, herzlose ...
Dann ist der Boden weg. Ich falle beinahe senkrecht nach unten auf eine braune Gesteinsmasse zu. Nein, das ist kein Gestein – das ist etwas anderes. Ich pralle mit den Füßen voran in die braune Masse und bleibe stecken wie ein Wurfmesser.
Das ist Sand. Schöner, weicher Sand – ich bin nicht an einen Fels geschmettert worden. Die Panzerung fliegt nach mir aus dem Tunnel und landet mit einem kräftigen Schlag auf meinem Kopf. »Au!«
»Ducken«, sagt Mimi.
Haha. »Kannst du mir mal die Hand reichen?«, frage ich Maeve. »Das Zeug scheuert.«
»Sorry, Durango.« Sie stellt sich breitbeinig am Rand der Sandgrube auf und streckt mir die Hand entgegen. »Das wollte ich nicht.« Sie deutet mit einem Nicken auf ein Stahltor, das nur ein paar Meter von uns entfernt ist. »Dort bewahren wir unseren Schatz auf.«
»Schatz? So würde ich einen Sandfloh niemals bezeichnen.«
»So sehen wir sie auch nicht. Die Dræu aber schon.«
Sie rollt das Tor hoch und tritt über die Schwelle. Warme Luft schlägt mir ins Gesicht, und ich erkenne die Quelle des erdigen Geruchs, den ich auf dem Weg über die Tunnelrutschbahn wahrgenommen habe. Licht flackert an der Decke auf und beleuchtet einen Durchgang, der kaum breit genug ist, mich aufzunehmen.
Maeve aktiviert eine Fotozelle, woraufhin ein riesiges Multivid aufleuchtet. »Was hältst du davon?«
Das Bild zeigt einen blauen, mit Wolken gesprenkelten Himmel über einem grünen Berghang, auf dem große Bäume wachsen, niedrige Gebirgsausläufer und einen Wald auf der rechten Seite. Im Vordergrund wogen hohe Gräser, in deren Mitte rote Blumen wachsen, sacht im Wind.
»Wunderschön«, sage ich und lege eine Handfläche auf das Bild. »Wo ist das? Auf der Erde?«
»Das ist der Eden des Mars«, sagt Meave im Tonfall eines Virtual-Reality-Fremdenführers. »Außenposten Fisher Four, wie die Gründer ihn geplant hatten. Eine neue Welt in einer perfekt harmonischen, ausgewogenen Biosphäre. In Phase Blau wird der Permafrost tauen und ein Land zurücklassen, das bereit ist zur Aufforstung und Besiedelung.«
»Was ist passiert?«
Sie wechselt zu ihrem normalen Tonfall. »Der Planet hat sich erwärmt, gerade genug, dass die Orthokratie uns stillgelegt hat. Der Äquator ist lebenswert, also dachten sie sich, wozu den Himmel weiter mit Rauch füttern, wenn sie doch hatten, was sie brauchten. Wen interessiert es schon, wenn ein paar Tausend vertraglich gebundene Minenarbeiter nicht bekommen, was man ihnen versprochen hat?«
Ich starre auf das Bild. Es zeigt eine Schönheit, wie ich sie auf dem Mars noch nie gesehen habe. »Das wusste ich nicht.« Mein Blick schweift zu Meave. »Das ist nicht die Geschichte, die die Orthokratie verbreitet hat. Aber viele ihrer Geschichten stimmten nicht.«
Ihre Augen leuchten, ihre Miene zeigt einen Anflug von Argwohn. »Was ist mit CorpCom? Welche Geschichten haben diese Leute erzählt, während ihr dabei wart, euch gegenseitig zu bekriegen?«
»Die CorpCom-Leute sind besser als die Orthokraten.«
»Für dich vielleicht«, sagt sie und schaltet das Multivid ab. »Aber für uns gibt es keinen Unterschied zwischen den beiden.«
Das Bild verblassen zu sehen, macht mich traurig. »Warum schaltest du es ab?«
»Weil sie kein Licht mögen«, sagt Maeve und reicht mir eine Phosobrille.
Ich lege zuerst meine Symbipanzerung an und schnalle mir das Gewehr um. Dann setze ich die Brille auf. » Sie? Ich dachte, wir reden über ein Es .«
»Kommt auf die Definition von Es an. Wenn du sie unter dem Maßstab des Schwarmdenkens betrachtest, passt das.« Sie öffnet eine Tür. »Aber wenn du meinst, da drin wäre nur eines dieser Tierchen, erwartet dich eine Überraschung.«
An den Wänden der Höhle befinden sich etliche lange Tanks, gefüllt mit einer bernsteinfarbenen Flüssigkeit. In dieser Flüssigkeit schwimmen Hunderte, wenn nicht Tausende von Kreaturen von der Größe meiner Handfläche, ausgestattet mit acht Beinen, einem dicken Carapax und einem langen Saugrüssel. Mit ihnen schwimmt eine zähe Flüssigkeit, die ich genauso fürchte wie eine großkalibrige Scharfschützenpatrone oder einen Treffer aus einer Plasmawaffe. Der übliche Begriff dafür ist »Schnodder«, tatsächlich aber handelt es sich um ein extrem ätzendes Sekret, das imstande ist, Steine aufzulösen.
»Sandflöhe!«, brülle ich. » Ja vitut! Kacke! Mistviecher!«
»CorpCom hat die
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