Das Matarese-Mosaik
ein weiterer Gerald Henshaw. Er hat gefährliche Hobbys, und die Matarese mögen das nicht. Die reagieren auf so etwas allergisch.«
»Zu dem Schluß bin ich auch gelangt. Ich lasse sein Büro versiegeln. Wir werden es unter die Lupe nehmen.«
»Viel Spaß und halten Sie mich weiterhin auf dem laufenden.«
»Wie geht es Leslie?«
»Diese Frau ist unersättlich, Sie machen sich keinen Begriff!«
»Oh, halt den Mund«, sagte Leslie und ließ sich ins Kissen fallen.
Als Julian Guiderone vom Strand in den Savoy Court einbog und auf den Hoteleingang zuging, war es zwanzig Minuten nach acht Uhr abends. Auf dem Strand strömte in beide Richtungen dichter Verkehr, der Court selbst war mit Taxis, Limousinen, einem Jaguar und zwei Rolls-Royce vollgeparkt. Die Lichter am Baldachin des Savoy Theatre, der eigentlichen Heimat von Gilbert und Sullivan, blitzten und ließen damit erkennen, daß sich dort in Kürze der Vorhang heben würde. Theatergäste klopften ihre Pfeifen am Absatz aus, drückten Zigaretten aus und strömten durch die Tore mit den auf Hochglanz polierten Messingrahmen. Ein typischer Abend in London.
Guiderone hatte mit seinen Gewährsleuten konferiert, im wesentlichen einer Gruppe älterer Männer und Frauen, die schwere Zeiten hinter sich hatten und mit denen er sich in den Jahren, die er in England verbracht hatte, angefreundet hatte. Er bezeichnete sie als seine kleine Beobachterarmee; keiner von ihnen wußte so richtig, weshalb sie nach den Dingen oder Personen Ausschau hielten, die er ihnen auftrug, aber sie taten es voll Dankbarkeit, weil er großzügige Prämien an sie verteilte und häufig auch neue Kleidung als Ersatz für fadenscheinig gewordene alte ausgab. Kleidung war diesen Leuten wichtig; sie erinnerte an ihre Vergangenheit, in der es so etwas wie regelmäßige Anstellung und Selbstwert – mit einem Wort: Würde – für sie gegeben hatte.
Der Sohn des Hirtenjungen hatte die Liste der Luxushotels studiert, von denen bekannt war, daß sie regelmäßig mit den britischen Behörden zusammenarbeiteten; man konnte keines ausschließen. Also setzte Guiderone seine kleine Armee ein, sie alle zu beobachten und dort nach Individuen Ausschau zu halten, die regelmäßig zu bestimmten Zeiten dort erschienen und bei denen es sich mutmaßlich weder um Gäste noch Touristen, noch um Angestellte handelte. Stets darum bemüht, ihrem geheimnisvollen Wohltäter gefällig zu sein, erhielt Guiderone zahlreiche »Beobachtungen« mitgeteilt, wovon eine seine besondere Aufmerksamkeit auf sich zog.
Eine Frau in mittleren Jahren, die man im Savoy in der Uniform eines Zimmermädchens gesehen hatte, ging jeden Abend
zwischen achtzehn Uhr fünfundundvierzig und zwanzig Uhr weg, was nicht gerade dem Zeitplan eines Zimmermädchens entsprach. Außerdem war sie jedesmal beim Weggehen ausnehmend gut gekleidet und stieg immer in ein wartendes Taxi am Strand. Nicht in einen Bus oder ein normales Auto eines Ehemannes oder Lebensgefährten. Das war nicht das Verhalten einer Hotelangestellten, sondern eher das einer MI5-Agentin.
Guiderones Plan war kompliziert und zeitraubend; aber das war ohne Belang. Er hatte sich auf die Spur seines Erzfeinds geheftet. Er würde von Stockwerk zu Stockwerk gehen und nach dem Ungewöhnlichen Ausschau halten; und er würde es in der einen oder anderen Ausprägung finden. Es mußte so sein. Das Schwein der Welt!
Er fand das Ungewöhnliche auf der Themseseite im zweiten Stock. Während sonst in den Stockwerken Zimmerkellner mit Tabletts und Rolltischen zu verschiedenen Türen eilten, gab es dort einige Zimmerkellner, die ohne Tabletts oder Tische unterwegs waren und sich allem Anschein nach auf eine einzige Tür konzentrierten. Guiderone begriff. Das Schwein der Welt und seine Frau!
Sein leichtes Hinken verstärkte sich, ohne daß ihm das bewußt wurde, während er sich ganz darauf konzentrierte, eine Strategie zu entwickeln. Er mußte diese Tür isolieren, die Insassen der Suite dahinter isolieren. Er war häufig im Savoy abgestiegen und kannte die Arbeitsweise des Etagendienstes. Jedes Stockwerk verfügte zusätzlich zu den Aufzügen, die in die Küche im Erdgeschoß führten, über eine eigene gut ausgestattete Teeküche, in der Tee, Kaffee, Horsd’œuvres und Sandwiches für eilige Gäste zubereitet werden konnten. Guiderone folgte einem Kellner mit einem Tablett, ärgerte sich über sein auffälliges Hinken und fand so die Küche. Er blieb im Flur, schlenderte ziellos herum, als habe
Weitere Kostenlose Bücher