Das Matarese-Mosaik
war. Und dann stellte sich vage die Erinnerung an ein Geräusch ein – ein Kratzen, ein Scharren? Ein kurzer Lichtblitz. Was war das, wo war es?
Die Glastüren, die auf den kleinen Balkon hinausführten? Sein Zimmer befand sich im ersten Stock der zweistöckigen Villa. Scofield und Antonia waren unmittelbar über ihm untergebracht. Und er hatte etwas gehört; seine geschlossenen Augen hatten irgendwie einen Lichtblitz wahrgenommen, vielleicht den Reflex eines Suchscheinwerfers von einem Boot in der Bucht … vielleicht. Und vielleicht auch nicht, aber wahrscheinlich. Er streckte die Arme über den Kopf und gähnte. Die weite Wasserfläche vor den Fenstern, der stumpfe Schein des Mondlichts, das im wesentlichen von der Wolkendecke verschluckt wurde; das alles erinnerte nur zu sehr an Outer Brass 26 vor nicht einmal zwanzig Stunden.
Eigentlich seltsam, sinnierte er und ließ den Kopf wieder aufs Kissen sinken. Für den Durchschnittsbürger war das Leben eines Geheimagenten eine ständige Folge von Abenteuer und Aufregung, von Ereignissen, in denen er besondere Fähigkeiten einsetzte, die sein Überleben ermöglichten. Das wurde als Tatsache hingenommen, weil es ständig unrichtig im Film, im Fernsehen und in Romanen so dargestellt wurde. Zum kleineren Teil stimmte es natürlich: Man mußte dazu ausgebildet sein, diese Arbeit zu tun, ganz besonders die unangenehmeren Aspekte davon. Aber wenn es dazu kam, dann waren es jedesmal Augenblicke der Angst, Augenblicke extremer Anspannung.
Jemand hatte einmal gesagt, das eigentliche Ziel des Tiefseetauchens sei, am Leben zu bleiben. Pryce, ein erfahrener Taucher, hatte darüber herzlich gelacht, bis er einmal mit seiner damaligen Freundin vor der Costa Brava unter ein Rudel Hammerhaie geraten war.
Nein, in seinem Beruf galt es, solange man im Einsatz war, solche Vorfälle so oft wie möglich zu vermeiden. Und wenn die Einsatzbefehle in der Phantasie eines Verbindungsoffiziers entstanden waren, der zu viele Filme gesehen oder zu viele Romane gelesen hatte, dann beachtete man sie einfach nicht. Pryce hatte nicht die Absicht zu sterben, um damit die Laufbahn irgendeines Analytikers zu fördern.
Wieder ein Kratzen! Ein Scharren … vor der Balkontür. Er träumte nicht, das war Wirklichkeit. Aber wie war das möglich? Das Gelände war von Patrouillen geschützt, auch die Rasenfläche und die Terrassen unter ihm; niemand konnte sich Zutritt zu ihnen verschaffen. Er griff nach seiner Taschenlampe und seiner Automatik, die beide neben ihm auf der Bettdecke lagen, stand langsam auf und ging auf die Doppeltür zu, die auf den kleinen Balkon führte. Lautlos zog er den linken Türflügel auf und spähte nach draußen, blickte zuerst nach unten.
Herrgott im Himmel! Er brauchte keine Taschenlampe, um die zwei reglos am Boden ausgestreckten Körper auszumachen, beide in Pfützen des eigenen Blutes, das immer noch aus den Halswunden strömte – falls man es als Halswunde bezeichnen konnte, wenn jemandem praktisch der Kopf abgeschnitten war! Pryce knipste seine Taschenlampe an und richtete den Strahl nach oben. Eine Gestalt in einem schwarzen Latexanzug war, mit Hilfe von an seinen Händen und Knien befestigten Saugnäpfen, an der glatten Steinmauer der Villa emporgeklettert. Er hatte den Balkon von Scofields Zimmer erreicht, und als er jetzt Pryce’ Lichtstrahl sah, warf er den Saugnapf an seiner rechten Hand weg, griff in seinen Gürtel, zog eine Maschinenpistole heraus und begann zu feuern. Pryce warf sich hinter die schützende Schlafzimmerwand, als eine ganze Salve von Schüssen auf den Balkon peitschte, von denen die meisten von dem schmiedeeisernen Balkongitter
abprallten, als Querschläger ins Zimmer pfiffen und dort in den Wänden steckenblieben. Pryce wartete. Einen Augenblick lang herrschte Stille. Der Killer schob ein neues Magazin in seine Waffe. Jetzt . Pryce stürzte sich auf den Balkon und gab schnell hintereinander einige Schüsse auf die schwarze Gestalt über ihm ab. Der Anblick der Leiche in dem schwarzen Latexanzug, die die Saugnäpfe an den Knien und der linken Hand immer noch an der Wand festhielten, wirkte beinahe obszön.
Die Leiche wurde heruntergelassen, die sterblichen Überreste der beiden Wachen entfernt. An dem Killer war nichts zu finden, was zu seiner Identifizierung beitragen konnte.
»Wir werden ihm die Fingerabdrücke abnehmen«, sagte ein Wachmann im Kampfanzug. »Wir finden schon heraus, wer dieser Hurensohn ist.«
»Die Mühe können Sie
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