Das Matrazenhaus
mit weißen und schwarzen Streifen auf den Flügeln. Als wir vorbeigehen, reckt er den Schnabel hoch und stellt auf dem Kopf die Federn auf. Ich klatsche in die Hände. Er macht zwei Sprünge zur Seite, bis zu dem überwachsenen Betonviereck mit dem Eisenring, fliegt aber nicht fort. Switi ist das egal. Sie setzt sich ins nasse Gras, schließt die Augen und legt den Kopf auf die Knie. Ich hebe sie hoch und trage sie zur Hintertür. Ich öffne vorsichtig und lausche noch einmal. Wieder nichts. Ich nehme sie an der Hand und gehe mit ihr ins Zimmer. »Du bleibst da«, sage ich. Sie nickt. Ich schleiche ins Badezimmer und hole das große Handtuch mit Lisa Simpson und dem Saxophon drauf, um sie abzutrocknen. Als ich zurückkomme, liegt sie vor ihrem Bett auf dem Boden und schläft. Ich setze mich in meinen Sitzsack und schaue ihr beim Atmen zu. »Später zeige ich dir das Haus«, sage ich, »zuerst nur das Erdgeschoß; oben noch nicht.«
Fünf
»Du rettest mich«, sagt er halblaut. Sie hat die Augen geschlossen und stellt sich vor, wie er durch ihr Dachflächenfenster schaut, direkt hinein in die Baumkronen, und wie dahinter genau in diesem Moment die Sonne aufgeht.
Sie spürt, dass ihre Unterlippe leicht flattert, während sie ausatmet. »Sprichst du mit mir oder mit deinem Gott?«, fragt sie.
»Ich wollte dich nicht wecken«, sagt er.
»Hast du auch nicht. Wie spät ist es?«
»Zehn vor sechs.«
»Da habe ich zum Retten noch ein wenig Zeit.« Sie öffnet die Arme und dreht sich zu ihm. Er zupft ihr eine Haarsträhne aus dem Mundwinkel. »Du nimmst mich nicht ernst«, sagt er. »Tu ich doch«, sagt sie. Teufel, Hexen, Dämonen und ein Kübel voller Angst, jedes Mal das Gleiche, denkt sie – natürlich weiß ich, dass ich dich rette, und natürlich nehme ich dich ernst. Sie zieht ihn zu sich runter und atmet heiß in seine Schlüsselbeingrube. »Irgendwie ist der Frühling ein Betrüger«, sagt er, »er gibt einem das Gefühl, dass alles gut ausgeht.« »Tut es doch auch«, sagt sie und tastet nach seiner Schulterblattspitze, »gerade einer wie du müsste das wissen.«
»Gerade einer wie ich weiß, dass das nicht so ist.«
»Nicht schon wieder. Hier, leg deine Hand in meinen Nacken.«
Sie spürt seine Fingerkuppen an den Dornfortsätzen ihrer Halswirbel. »Es gibt keine Garantie«, sagt er. Stimmt, denkt sie. Sie stellt sich vor, wie sie sich aufschwingen über die Wolken, die in der Morgensonne rot gesäumt sind, und dahinfliegen, über die Stadt und den See, und wie weit und breit nichts Schreckliches vorhanden ist. »Ich schlafe noch zwei Minuten«, sagt sie und rückt im Wegdämmern ganz nahe an ihn ran. Er sagt ab und zu, dass die Vertreibung des Wahnsinns total einfach sei, er müsse sie nur von oben bis unten spüren, möglichst viele Quadratzentimeter Körperkontakt, und sie mag das, selbst wenn es möglicherweise nichts als eine seiner psychotischen Ideen ist.
Er löffelt Hüttenkäse zum Frühstück, wie immer. Er behauptet, dass er auf diese Weise die Medikamente am besten verträgt. Sie sitzt da, nippt ab und zu an ihrem Kaffee und schaut ihm zu. Er erzeugt ein gutes Gefühl in mir, denkt sie, so einfach ist das. Wenn er dasitzt, im Morgenlicht, blass und ein wenig krumm, und diese weißen Kügelchen in sich hineinschaufelt, erzeugt er ein gutes Gefühl in mir; wenn er anruft und nichts anderes sagt als Du …, tut er es, und er tut es sogar, wenn er seine Hand in ihren Nacken legt. Das Verrückte fühlt sich manchmal am besten an, denkt sie, das, bei dem sich die Leute an den Kopf fassen oder dir den Vogel zeigen.
»Woran denkst du?«, fragt er. »Das willst du nicht wissen, glaub mir«, antwortet sie.
»Warum nicht?«
»Du wirst vielleicht wütend.«
Er nimmt eine Portion Hüttenkäse auf den Löffel und zielt in ihre Richtung. »Gut, gut«, sagt sie und hebt beschwichtigend die Hände, »ich habe gedacht, dass sich komischerweise das Verrückte manchmal am allerbesten anfühlt.« Er lässt den Löffel sinken und blickt sie mit großen Augen an. »Siehst du«, sagt sie, »gleich wirst du wütend.« »Blödsinn«, sagt er. Das sei der Irrtum, dem die Leute unterlägen – dass sich das Verrückte immer ganz fürchterlich anfühlen müsse. Im Gegenteil, sagt er, alles andere fühle sich fürchterlich an, die Menschen ringsherum, vor allem die sogenannten Nächsten, die eigene Geschichte, alles, was man großspurig die Welt nenne oder die Realität. »Dann baust du dich innerlich um,
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