Das Maya-Ritual
beeilt, es als ein Sommersonnenwendereignis hinzustellen. Doch Goldbergs Pressefrau hatte davon gesprochen, dass es alljährlich im Dezember stattfand - zur Winter sonnenwende. Es war unwahrscheinlich, dass Deirdre den Termin nicht kannte - die Veranstaltung fand ja sogar in ihrer Heimatgrafschaft Meath statt.
Durch Eingabe von ireland.com fand ich die Irish Times, und dort gab ich dann das Wort newgrange in das Suchfeld des Archivs ein. Ich überflog die Einträge und gelangte zu einigen, die sich um den 21. Dezember des letzten Jahres ballten. Es waren hauptsächlich Artikel, die im Vorfeld des Ereignisses veröffentlicht worden waren, und Goldbergs Name tauchte in einigen von ihnen auf. Ich sprang zu einem Bericht mit Datum 22. Dezember und las ihn in voller Länge.
SCHÜSSE BEI PROTESTEN IN NEWGRANGE Mehrere Schüsse fielen gestern vor der Grabstätte in Newgrange, Grafschaft Meath, während der alljährlichen Sonnenwendveranstaltung. Demonstranten, die ein Ende der, wie sie es nannten, Kommerzialisierung alter Kulturen forderten, prallten mit der Polizei zusammen. Es gab keine Verletzten, aber mehrere Personen wurden verhaftet. Die Aussicht, zu beobachten, wie die Strahlen der aufgehenden Sonne zwanzig Meter tief in die Mitte der alten Grabkammer vordringen, hat in den letzten Jahren eine steigende Zahl von Besuchern angelockt, obwohl die Chancen, dass viel mehr als hundert Personen das nur wenige Minuten währende Spektakel sehen können, sehr gering sind. Und auch davon kann keine Rede sein, wenn der Himmel bewölkt ist. Doch in diesem Jahr gab es Pläne, diese Beschränkungen zu umgehen, indem der amerikanische Fernsehproduzent Nick Goldberg vom Minister für Tourismus die Erlaubnis erhielt, das Ereignis für eine Sendereihe über neolithische Sonnenkultstätten zu filmen. Die Sendung sollte auch eine kostümierte Neuinszenierung der Zeremonien zeigen, die das Ereignis in prähistorischer Zeit begleitet haben könnten. Im Gegenzug erklärte sich Goldberg bereit, das Phänomen auf Videoschirme zu übertragen, die rund um die Grabstätte aufgestellt wurden. Und falls die Sonne die Veranstalter im Stich lassen sollte, so hatte Goldberg Gerüchten zufolge einen Plan in der Hinterhand, der, um mit den Worten eines einheimischen Farmers zu sprechen, »einiges Licht auf die Sache werfen würde«. Den Tausenden von Besuchern, die sich schon vor Morgengrauen versammelt hatten, traten mehrere hundert Menschen entgegen, die Transparente mit sich führten und Protestchöre anstimmten. Ein Sprecher der Demonstranten, Mr. Dermot O ’Kelly, hielt eine kurze Rede, in der er behauptete, Goldberg würde persönlichen Gewinn aus dem nationalen Erbe Irlands ziehen und seine hollywoodartige Darstellung altertümlicher Rituale locke unerwünschte Besuchermengen an die Stätte und zerstöre deren geschichtlichen und heiligen Charakter. Als kurz darauf Mr. Goldberg durch ein Polizeispalier ging, wurden Schüssen aus einer halbautomatischen Waffe abgegeben. Augenzeugen berichten, die Kugeln seien über die Köpfe der Menge hinweggestrichen. Die Polizei verhaftete mehrere Demonstranten, die sie später in der Polizeistation von Drogheda wieder auf freien Fuß setzte, während Mr. O’Kelly des unerlaubten Waffenbesitzes und der vorsätzlichen Gefährdung von Menschenleben angeklagt wurde. Später kam er gegen Kaution frei und wird am 10. Januar vor Gericht erscheinen.
In den nächsten Tagen geriet die Geschichte mit Beginn der Festzeit bis Anfang des Jahres aus dem Blickfeld. Am 6. Januar, einen Tag nach meiner Abreise aus Irland, erschien dann folgender Artikel.
PROTEST HÄNGT MIT ANTIGLOBALISIERUNG ZUSAMMEN Dermot O’Kelly, einer der Demonstranten von Newgrange, der sich morgen wegen unerlaubten Waffenbesitzes vor Gericht verantworten muss, wird mit einer Reihe von Gruppen in Verbindung gebracht, die in der Antiglobalisierungsbewegung der letzten Jahre aktiv waren. Diese offenbar führerlosen, zellenartigen Gruppierungen kommunizieren per Internet, wo sie ihre Grundsätze diskutieren und Pläne schmieden. O ’Kelly wird vornehmlich in Zusammenhang mit einer tourismusfeindlichen Bewegung gebracht, die die Plünderung der Erde und ihrer ethnischen Kulturen durch die Tourismusindustrie brandmarkt. Diese ungenannte Gruppe, die sich im Internet ›schmutziger Tricks‹ bedient, indem sie Fotos und Berichte verfälscht, um ihre Behauptungen zu rechtfertigen, wurde in letzter Zeit zunehmend aktiv, sodass bereits das Wort
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