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Das Maya-Ritual

Das Maya-Ritual

Titel: Das Maya-Ritual Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Patrick Dunne
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waren. Dann brach nach dem Krieg die Sisalindustrie zusammen, und die Folgen waren Armut, Hunger und Krankheiten - es war die ärmste Region eines armen Landes, auch wenn man den Maya im Rahmen eines Systems gemeinschaftlichen Besitzes die Hälfte des Territoriums übertragen hatte. Mein Vater, der gerade sein Medizinstudium abgeschlossen hatte, bewaffnete sich mit der neuen Arznei Streptomycin und ging als Freiwilliger zur Behandlung der Kranken in die Dörfer. Nach einem Jahr kehrte er nach Mérida zurück, heiratete meine Mutter und begann, in einem der Krankenhäuser der Stadt zu arbeiten. Aber sein Ziel, die Seuchen unter den Kleinbauern auszurotten, konnte er einfach nicht aufgeben, deshalb ließ er Mutter hier und ging wieder in den Urwald, diesmal zusammen mit weiteren Freiwilligen. Er fügte seinem Arsenal auch neue Waffen hinzu - Impfmittel gegen Pocken, Masern, Polio, Mumps und so weiter.
    Nach einigen Monaten ›verwilderte‹ er, wie wir zu sagen pflegten, lebte ein paar Monate lang in einem Dorf in einer Strohhütte und zog dann weiter, wobei er kontinuierlich die Lebensweise der Maya studierte. Er besuchte auch die Ruinenstädte im Dschungel und bildete sich eine Meinung über den Untergang der Zivilisation, die diese Städte errichtet hatte. Seiner Zeit voraus, stellte er die Theorie auf, die alten Maya seien in einer ökologischen Katastrophe zu Grunde gegangen - Übernutzung des Landes, das sie ernährte. Eine Lektion auch für unsere heutige Zeit, finden Sie nicht?«
    Ich nickte zustimmend.
    »Seine Besuche zu Hause waren spärlich in den nächsten fünf Jahren, in deren Verlauf ich zur Welt kam. Schließlich stellte ihn mein Großvater mütterlicherseits zur Rede und erinnerte ihn daran, dass er vorrangig seiner Familie verpflichtet sei. Zu diesem Zeitpunkt hatte er sich bereits mit einer Bewegung für die volle Unabhängigkeit von Mexiko eingelassen. Das Militär terrorisierte die Kleinbauern, die diese Bewegung unterstützten, deshalb hat mein Vater die Cruzob wieder zum Leben erweckt und sie bewaffnet, damit sie die Bauern verteidigen konnten.«
    »Sie sagen, ›wieder zum Leben erweckt‹ - wie lange waren sie denn von der Bildfläche verschwunden?«
    »Die Cruzob waren eigentlich nie ganz verschwunden, seit sie hundert Jahre zuvor nach einem schweren Krieg zwischen den Maya und Gruppen von weißen Siedlern auf der Halbinsel entstanden waren. An einem bestimmten Punkt hielten die Maya genau diese Stadt hier belagert, aber dann spazierten sie buchstäblich davon, um ihren Mais zu pflanzen. Daraufhin wurden sie von der mexikanischen Armee gnadenlos gejagt und zerstreuten sich schließlich in die Wälder von Quintana Roo. Fünfzig Jahre lang hielt man sie für nahezu ausgelöscht und dachte, ihre Bevölkerungszahl läge bei einigen Hundert. Aber sie hatten im Urwald eine geheime Stadt mit zehntausend Einwohnern errichtet und das Christentum zu Gunsten ihrer alten Religion aufgegeben, zu der die Verehrung des Kreuzes gehörte - nicht des christlichen Kreuzes, sondern des Kapokbaumes der alten Maya.
    Tatsächlich also verteidigten die Cruzob ihr Volk aktiv bis in die Dreißigerjahre, als der Vertrag unterzeichnet wurde. Als mein Vater seinen Feldzug begann, gab es immer noch einige mit militärischer Erfahrung unter ihnen. Aber sie brauchten Waffen und Ausbildung, und diesbezüglich wandten sie sich an Fidel Castro.«
    »Der Fidel Castro?« Ich war neugierig. »Wie kam denn das?«
    »Er benutzte Quintana Roo als Trainingscamp für seine eigenen Soldaten. Die Zentralregierung entdeckte dieses Lager erst nach der kubanischen Revolution, woran Sie ersehen, wie abgelegen der östliche Teil Yukatans vor der Gründung von Cancun war.«
    »Und wie lange kämpfte Ihr Vater gegen das Militär?«
    »Etwa zwei Jahre lang. Er hielt sich an den Grundsatz, unter keinen Umständen Zivilisten anzugreifen. Doch dann kamen ihm Berichte zu Ohren, wonach eine Guerillazelle der Cruzob die Familie eines Haziendabesitzers gefoltert und getötet hatte. Er führte eine Untersuchung durch, stellte fest, dass der Bericht der Wahrheit entsprach, und löste unverzüglich die gesamte Truppe auf.«
    »Und dann kam er hierher zurück?«
    »In der Stadt war die Stelle des amtlichen Leichenbeschauers frei. Er besaß zwar nicht ganz die nötige Qualifikation für den Posten, aber angesichts der Tatsache, dass er seine revolutionären Aktivitäten aufgab, sah die Regierung darüber hinweg. Ich glaube, mein Großvater spielte beim

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