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Das Maya-Ritual

Das Maya-Ritual

Titel: Das Maya-Ritual Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Patrick Dunne
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amhakimil, die mit Wasser zu tun hat. Bei seiner ersten Rückkehr nach Mérida findet er eine Seuche dieses Namens in den Geschichtsbüchern der Spanier, und es heißt, sie habe im frühen sechzehnten Jahrhundert und dann noch einmal zweihundert Jahre später eine gewaltige Zahl von Menschen ausgelöscht. Die Verfasser dieser Berichte glaubten, es handle sich um Pocken, aber die Beschreibungen der älteren Dorfbewohner hörten sich nicht nach Pocken an, und sie behaupteten außerdem, die Krankheit sei bereits vor der Ankunft der Konquistadoren unter ihnen gewesen. Schließlich legen die Hinweise, die er der Reihe nach zusammenfügt, die Vermutung nahe, dass diese Ausbrüche von Amhakimil stets nach Zeiten langer Dürre aufgetreten sind. Zurück in der Wildnis von Quintana Roo, erkundigt er sich überall, wohin er kommt, nach der geheimnisvollen Infektion. Eines Tages dann erhält er ein Leporello geschenkt, und man erzählt ihm, darin sei das Fragment eines älteren Mayatextes eingenäht, das sich auf die Krankheit bezieht…« Bartolomé sah in den Garten hinaus, wo die Sonne den Regen aufwischte, der nicht in die Erde gesickert war.
    »Dieses Leporello… woher stammte es?«
    »Die Cruzob verwahren eine Reihe heiliger Texte, die Bücher von Chilam Balam - manchmal Jaguarprophezeiungen genannt -, die von Mayaschreibern nach der Eroberung auf Spanisch geschrieben wurden.«
    »Und eines davon haben sie Ihrem Vater geschenkt? Das war eine große Ehre.«
    »Ja. Und die seltene Gelegenheit, ein solches Buch genau zu studieren. Aber er hatte einige Jahre lang kaum die Möglichkeit, der Sache nachzugehen, da ihn die Ereignisse einholten, die ich Ihnen beschrieben habe. Und überhaupt wurden die Hieroglyphen der Maya damals noch kaum verstanden. Als er sich jedoch wieder in Mérida niederließ, wandte er sich dem Thema zu, sooft er Zeit hatte, und er nahm uns Kinder häufig an Sonntagnachmittagen mit in den Urwald, wo wir Ruinen oder einen Zenote besuchten.
    Schließlich studierte ich und wurde Mineralölgeologe. Mein Vater hatte sich nicht sehr dafür interessiert, welches Studium ich mir aussuchte, aber als ich anfing, bei Pemex zu arbeiten, war er alles andere als erfreut.«
    »Pemex… aber wieso denn nicht?«, fragte ich mit gespielter Unschuld. Petroleos Mexicanos, die staatliche Monopolgesellschaft, war einer der größten Ölkonzerne der Welt. Ich fand es interessant, dass Bartolomés Vater seine Berufswahl missbilligte, so wie es mein Vater bei mir tat. Noch mehr aber faszinierte mich, dass Bartolomé für Pemex arbeitete - genau die Organisation, gegen die ich bei meinem ersten Einsatz für Greenpeace ins Feld gezogen war.
    »Er hatte eine ambivalente Einstellung zur Ausbeutung von Ölvorräten, wegen der möglichen Auswirkungen auf die Umwelt und die Menschen rund um den Golf von Mexiko. Und ich muss zugeben, es war etwas dran…«
    Bartolomé hatte sich umgedreht und griff nach einer Zigarrenkiste auf dem Kaminsims hinter sich.
    Mein Respekt für den Toten wuchs immer mehr, aber ich hatte auch den Eindruck, ihn nur von der besten Seite geschildert zu bekommen - es erinnerte an einen Nachruf, wie ich ihn vielleicht im Diario del Yucatan lesen würde. Wenn ich die Version mit allen Fehlern und Schwächen hören wollte, dann würde ich sie wohl kaum von seinem Sohn erfahren, der selbst der Missbilligung durch seinen Vater noch Beifall zu klatschen schien.
    Bartolomé öffnete den Deckel der Zigarrenkiste, während er fortfuhr. »Eines Tages fing er dann aus heiterem Himmel an, mir Fragen über die Geologie und Hydrologie des Yukatan zu stellen. Ich konnte ihm die Antworten liefern. Antworten, nach denen er offenkundig seit einiger Zeit gesucht hatte. Als Folge davon verbesserte sich seine Haltung mir gegenüber. Und um alles zu krönen, wurde ich schließlich zum Überbringer einer Nachricht, die so aufregend war, dass er völlig über meine Sünde hinwegsah.« Bartolomé nahm eine Zigarre aus der Kiste. »Es stört Sie doch nicht, wenn ich rauche, oder?«
    »Bitte, nur zu.«
    Er rollte die Zigarre zwischen den Fingern und blinzelte mich an, als hätte er den Faden seines Berichts verloren.
    »Die Neuigkeit, die Sie für Ihren Vater hatten…«, soufflierte ich.
    »Ach ja. Eine Bohrungsvermessung von Pemex hatte die Existenz des Chicxulub-Kraters enthüllt. Es war eine große Entdeckung für die Paläontologen, denn die Theorie jenes Ereignisses, das zum Massensterben führte, wie die Wissenschaftler Walter und

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