Das Maya-Ritual
daraufhin überstürzt mit seinem Fahrrad los.«
»Dann sind die Cruzob vielleicht hierher gekommen, um das Haus zu durchsuchen. Ihre Freundin kann sich irgendwo verstecken und schickt eine Nachricht an Sie und Alfredo. Yam rast mit seinem Rad hierher, ruft sie aus ihrem Versteck und lacht ihr dann ins Gesicht.«
»Ich kann einfach nicht glauben, dass Alfredo zu so etwas fähig wäre.«
»Na, wenn er auftaucht, können Sie ihm das ja vorhalten«, bemerkte Zedillo sarkastisch. »Aber ich glaube nicht, dass wir ihn in nächster Zeit zu sehen bekommen. Er steckt wahrscheinlich irgendwo tief im Urwald von Quintana Roo.«
Ich war plötzlich völlig erschöpft, in meinem Kopf drehte sich alles vor lauter schlechten Nachrichten.
»Ich fürchte, ich habe einen Energieausfall, wie das Haus hier. Hätten Sie etwas dagegen, wenn wir morgen weitermachen?«
»Kein Problem, Senorita. Ein Beamter wird in einem Zivilauto auf der anderen Straßenseite aufpassen. Ich selbst oder einer von unseren Männern. Nur für den Fall, dass Alfredo es sich anders überlegt und aus dem Dschungel zurückkehrt.«
43
Ich träumte wieder von Manfred. Er versuchte, mir etwas über den vorangegangenen Albtraum zu erzählen, ich spürte seinen eisigen Atem an meiner Wange, als er flüsterte: »Die Antwort liegt hier.« Ein Abschnitt des Albtraums wiederholte sich - der Teil, in dem ich die Tür öffne, nachdem ich den langen Flur entlanggegangen bin.
Ich wachte auf, weil mein Handy auf dem Nachttisch läutete.
»Deirdre!«, sagte ich, überzeugt davon, dass sie sich endlich meldete.
»Nein, leider nicht Deirdre. Ich bin’s, Herbie Kastner.«
»Oh… Hallo, Herbie. Was gibt es?«
»Ich kann später noch einmal anrufen, Jessica.« Er hatte die Enttäuschung in meiner Stimme gehört.
»Nein, schon gut. Eine Freundin von mir wird vermisst. Ich dachte nur eben, sie sei wieder aufgetaucht.«
»Du hast wahrscheinlich erwartet, dass ich über das Festnetz anrufe. Ich hab’s auch versucht, aber die Leitung scheint ausgefallen zu sein.«
»Wir hatten letzte Nacht einen Hurrikan hier. Die Telefonleitungen sind wohl tot, das ist meistens so.«
»Es geht um die Proben, die du mir geschickt hast. Ich hatte das Gefühl, ich rufe dich am besten sofort an.«
Ich war hellwach. »Ja? Was hast du herausgefunden?« Herbie hüstelte und räusperte sich. »Ein Dinoflagellat - glauben wir.«
Dinoflagellaten sind mikroskopisch klein, eine der ältesten Lebensformen auf der Erde, sie werden den Algen zugerechnet. Manche Arten produzieren durch Fotosynthese die Nahrung für die Korallen. Andere stellen eine unerwünschte Gefahr im Wasser dar. »Redest du etwa von Algenpest?«
»Hm… gewissermaßen«, sagte er unsicher. Algenpest war in den letzten Jahren zu einer zunehmenden Bedrohung in Flüssen und Seen, aber auch im küstennahen Meerwasser geworden.
»Denk an Pfiesteria piscicada…«
»Frisch meine Erinnerung auf.«
»Erinnere dich an die Ausbrüche in den Vereinigten Staaten, über die Ende der Neunziger in allen Zeitschriften berichtet wurde. Enormes Fischsterben. Angler, die von Blackouts, Gedächtnisverlust, Hautreizungen berichteten. Wird als biologische Gefahr der Kategorie drei eingestuft - zusammen mit Tollwut und HIV.«
Ich erinnerte mich tatsächlich. Obwohl mikroskopisch klein, war Pfiesteria piscicada ein Geschöpf, das sich ein Biologenkongress auf Sauftour ausgedacht haben könnte. Weder Tier noch Pflanze, kam es in wenigstens vierundzwanzig Erscheinungen vor. Sein Lebenszyklus beginnt als samenartige, gepanzerte Zyste, die jahrelang schlafend auf dem Grund eines Flusses liegen kann, und in einem bestimmten Stadium produziert es ein tödliches Gift, das sich durch das Wasser verbreitet und seine Beute tötet. Anders als rote und blaue Algenblüte, die ihre Anwesenheit kundtut, ist es jedoch unsichtbar.
»Die Proben, die du selbst aus dem Zenote entnommen hast«, fuhr Herbie fort, »enthielten ein extrem starkes Gift. Das Endprodukt im Lebenszyklus dieses Organismus, vermute ich. Aber wir hätten nicht gewusst, wo wir nach seinem Ursprung suchen müssen, wenn du uns nicht die Brühe vom Tauchgang geschickt hättest. Dort drin haben wir die Zysten gefunden - es wimmelte von ihnen. Es ist, als wäre der Zenote zu einem überdimensionalen Bottich geworden, in dem das Zeug heranreift, und du bist ihm sowohl im Frühwie im Endstadium dieses Prozesses begegnet.«
»Hast du die E-Mail über den Chixculub-Krater gelesen, die ich dir gestern
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