Das Maya-Ritual
umgebenden Wasser verdünnt und schließlich ausgespült. Vielleicht nach ein, zwei Tagen, ich weiß es nicht genau.«
»Du weißt wohl nicht zufällig, woraus das Gift besteht?«
»Keine Ahnung. Vergiss nicht, wie lange es gedauert hat, die genauen chemischen Bestandteile vieler tierischer Gifte zu bestimmen, als es darum ging, Gegenseren zu entwickeln. Zwanzig Jahre bei der Trichternetzspinne, wenn ich mich recht erinnere. Wir wissen, dass Geißeltierchen nicht nur einige der bösartigsten Gifte auf diesem Planeten produzieren können, sondern auch verschiedene Typen toxischer Stoffe gleichzeitig. Weiß der Himmel also, wie komplex die chemische Zusammensetzung von diesem hier ist.«
»Hm… Ich bin mir nicht sicher, ob es in meiner E-Mail stand, aber ich glaube, der Dinoflagellat ist in der einen oder anderen Form in die Wasserversorgung von Cancun gelangt. Außerdem ist jemand in mein Haus eingebrochen und hat nach den Proben gesucht. Ich weiß nicht, ob die beiden Vorfälle zusammenhängen, aber eins weiß ich genau: Irgendwelche Leute geben sich die größte Mühe, die Existenz dieses Dings zu verbergen, während andere anscheinend ganz wild darauf sind, es in die Hände zu bekommen. Warum, kann ich nicht sagen.«
»Vielleicht liegt es an dem Potenzial, das darin steckt.«
»Das Potenzial zu was, Herbie?«
»Zu seinem Einsatz als biologische Waffe.«
44
Herbie hatte meine Befürchtungen in Worte gefasst. Es erklärte, weshalb die Bundespolizei eingeschaltet war. Warum so viel Mühe darauf verwandt wurde, die Sache geheim zu halten. Mexiko hatte einen eigenen biologischen Kampfstoff entwickelt, und dafür würde die internationale Gemeinschaft das Land ächten, wenn die Wahrheit ans Licht kam.
Irgendetwas war jedoch fürchterlich schief gegangen bei dem Versuch, die Entwicklung des tödlichen Organismus im unterirdischen Wassersystem des Yukatan zu bändigen oder vorherzuberechnen. Aber warum hatten sie Cancun nicht evakuiert, sobald sie wussten, dass die Stadt in der Richtung lag, in die sich das Ding ausbreitete? Für diesen eklatanten Fehler mussten Sanchez und seine Behörde mitverantwortlich sein. Es sei denn, trotz seines Leugnens hatte das Militär das Sagen und war eher bereit, Menschenleben zu opfern, als das Geheimnis zu lüften.
»Herbie, wir müssen überlegen, was wir jetzt tun.«
»Wie wär’s mit einem Artikel für Nature?« Er machte nur Spaß. »Als Erstes muss ich das Center for Disease Control in Atlanta informieren. Dieser Fleischfresser stellt nach Pfiesteria eine weitere Stufe auf der Leiter dar, deshalb kommt er als biologische Gefahr der Kategorie vier in Frage, und er befindet sich nun auf amerikanischem Boden. Als einzig gute Nachricht kann ich ihnen melden, dass das Zeug nicht ansteckend ist. Als Nächstes werden wir dann wohl die Panzerung der Zyste abstreifen und mit Hilfe des Elektronenmikroskops verifizieren, worum es sich genau handelt. Danach -«
Mein Handy piepte und zeigte die Warnung BATTERIE LEER auf dem Display. Ich musste mit der restlichen Energie haushalten, für den Fall, dass ich in eine Notsituation geraten sollte.
»Herbie, ich muss Schluss machen. Mein Handy gibt bald den Geist auf, und wir haben hier keinen Strom, um es aufzuladen.«
»Können wir uns noch rasch auf einen Titel für das Ding einigen?«
Die richtige Klassifizierung dieser wahrscheinlich neuen Spezies würde einige Zeit dauern und unter anderem die Veröffentlichung einer Beschreibung des Dinoflagellaten, wenn es denn einer war, in einer anerkannten wissenschaftlichen Zeitschrift wie Nature beinhalten, zusammen mit den lateinischen Gattungs und Artennamen, die wir für ihn auswählten. Inzwischen war es Herbie wichtig, ein Etikett zu finden, das den Organismus in Gesprächen und Korrespondenz darüber sofort kennzeichnete.
»Wie wäre es einfach mit Amha?«, sagte ich.
»Klingt ein bisschen zu gutmütig«, meinte Herbie. »Lass uns noch ein X für den Chicxulub-Krater dranhängen - und auch, um das Unbekannte zu bezeichnen: Amhax.«
»Klingt besser«, erwiderte ich.
»Dann also Amhax. Und jetzt mach’s gut. Ich melde mich wieder, sobald es was Neues gibt.«
Obwohl es erst neun Uhr war, brannte die Sonne heiß, und der Morgen war schwül, deshalb wusste ich, ich würde nicht weit kommen mit Alfredos Fahrrad. Aber ich brauchte ein wenig frische Luft, und da das Telefon nicht ging, hatte ich eine weitere Ausrede für meinen Ausflug.
Es war kein Problem, hinter dem Auto
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