Das mechanische Herz
Aufklärung dieses Diebstahls, wahrscheinlicher ist es jedoch, dass sie ihm bei der Arbeit an dem Fall helfen, von dem er die Finger lassen soll.“
Cristofs Lippen waren zu einem schmalen Strich geworden. Er warf Taya einen finsteren Blick zu, sagte aber nichts. Mochte er ruhig ärgerlich sein! Taya hatte nicht vor, die Erhabene Octavus um seinetwillen zu belügen – weder mutwillig noch durch Unterlassung.
„Wolltest du mir das auch selbst sagen?“, fragte Viera Cristof. Der verzog den Mund zu einem freudlosen Lächeln.
„Anscheinend brauche ich überhaupt niemandem mehr irgend etwas zu sagen“, sagte er in einem Ton, der vor Sarkasmus nur so troff. „Ich überlasse das Reden einfach der Ikarierin.“
„Das wäre vielleicht keine schlechte Idee.“ Viera hatte sich erhoben. „Ich zeige dir die Papiere, der Familie wegen, aber mitnehmen darfst du sie nicht, und ich beabsichtige, die Liktoren von deinem Besuch hier in Kenntnis zu setzen.“
Cristof nickte schweigend und finster, woraufhin Viera die Besucher aus dem Zimmer führte.
Auf dem Flur fing Taya Cristofs Blick auf und zog fragend die Brauen hoch.
„Was?“, zischte der Erhabene, immer noch aufgebracht, woraufhin sie beschloss, seine schnippische Bemerkung, sie könne ja in Zukunft für ihn sprechen, unkommentiert durchgehen zu lassen. Ohnehin brannte ihr ein anderes Thema mehr unter den Nägeln.
„Hat Alister oft gelogen?“, fragte sie.
„Das kann ich nicht sagen.“ Cristof weigerte sich, Taya anzusehen. „Meinem Bruder war die Meinung anderer Leute immer sehr wichtig. Eine solche Haltung kann einen Mann schon einmal dazu bringen, dumme Dinge zu tun.“
„Ich kann Leute mit Hintergedanken nicht leiden. Ich mag es nicht, wenn jemand geheime Ziele verfolgt und mich für deren Durchsetzung zu instrumentalisieren versucht.“
„Ich verfolge keine geheimen Ziele.“ Die drei stiegen eine Treppe hinauf. „Ich will Alisters Mörder fangen. Ich lasse dich mitarbeiten, weil dir viel daran liegt und weil du mir, würde ich es nicht gestatten, ja doch nur ständig in die Quere kämest.“
„Ihr ‚lasst ‘ mich mitarbeiten, weil Ihr mit Eurer ruppigen Art nie irgendwelche Informationen aus den Leuten herausleiern könntet!“, schoss Taya zurück. „Ich verstehe nicht, wie die Liktoren der Meinung sein können, Ihr wärt zu irgend etwas nütze. Wie denn? Was macht Ihr denn als Liktor? Stecht Ihr die Gefangenen mit Eurer spitzen Zunge, bis sie um Gnade winseln?“
Diese Bemerkung brachte ihr einen verdutzten Blick, aber keine Antwort ein. Cristof wandte den Kopf ab und schwieg eisern.
„Da sind wir.“ Viera öffnete die Tür zu Casters Arbeitszimmer. „Bring hier bloß nichts durcheinander, Cristof, und Lass Taya in Ruhe, momentan mag ich sie lieber als dich. Taya, sorge bitte dafür, dass sich mein Cousin nicht mit irgendwelchen Papieren aus dem Staub macht.“
„Wird gemacht!“ Taya legte die Hand an die Stirn und verbeugte sich. „Herzlichen Dank, Erhabene.“
„Auf dich bin ich nicht wütend.“ Viera berührte Tayas Wange, ehe sie sich abwandte. „Komm das nächste Mal ohne Cris, dann können wir in Ruhe reden. Wie es unter zivilisierten Menschen Sitte ist.“
„Danke!“ Taya sah Viera nach, die zur Treppe zurückging. Als sie sich dem Arbeitszimmer zuwandte, saß Cristof bereits am Schreibtisch und sah mit konzentrierter Miene Papiere durch. Sein hageres Gesicht wirkte blass und angespannt. „Ihr werdet Euch doch hoffentlich bei ihr entschuldigen!“
„Natürlich.“ Das klang halbherzig; Cristof schien in Gedanken bereits wieder ganz woanders zu sein.
Taya verdrehte die Augen und zog sich einen Sessel an den Tisch. „Wonach suchen wir?“
„Nach allem, was uns irgendwie weiterbringt.“
Die beiden verbrachten geschlagene zwei Stunden mit der Durchsicht der Unterlagen in Casters Arbeitszimmer, auf der Suche nach irgendwelchen Hinweisen darauf, warum jemand den Mann hätte ermorden wollen. Taya entdeckte verschiedene Briefe, aus denen eindeutig hervorging, dass er gegen das mechanische Herz hatte stimmen wollen.
„Alister hat mich angelogen.“ Seufzend lehnte sie sich in Casters riesigem Ledersessel zurück und zog die Beine an.
Cristof legte den Stapel Papiere weg, den er gerade durchgesehen hatte.
„Alister ist tot. Es bringt nichts, sich über sein Verhalten zu grämen.“
„Eigentlich sagt man mir gute Menschenkenntnis nach. Die brauche ich auch, falls sie mich als diplomatische Botin einsetzen.“
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