Das mechanische Herz
vertraut und all seine Zeit mit Leuten verbracht, während du den Menschen vertraust und all deine Zeit mit Maschinen verbringst.“
„So sehr vertraue ich den Menschen auch wieder nicht. Sie neigen ebenso zu Fehlfunktionen wie Maschinen.“
Taya, die immer noch über Vieras entschiedene Antwort in bezug auf das mechanische Herz nachdenken musste, hörte nur mit halbem Ohr zu.
„Könnte es sein, dass Caster seine Meinung geändert hat, ohne es Euch zu sagen?“, mischte sie sich ein. „Denn Alister war sich so sicher, dass ...“
„Vielleicht hatte er Caster irgendwie falsch verstanden. Das könnte auch der Grund dafür gewesen sein, dass sie gemeinsam in der Gondel saßen – um noch einmal über die ganze Sache zu sprechen“, meinte Cristof.
„Wenn dem so war, dann haben sie sich höchstwahrscheinlich gestritten.“ Viera seufzte. „Die beiden hatten durchaus Respekt vor den Talenten des jeweils anderen und respektierten einander auch als Person. Aber wenn es um die Frage ging, wie Ondinium am besten zu regieren wäre, konnten sie sich nie einigen. Bei unseren gemeinsamen Abendessen ging es immer hoch her.“
Taya runzelte gedankenvoll die Stirn. Alister war fest davon überzeugt gewesen, Caster auf seine Seite gezogen zu haben. Andererseits waren da Emelies beißende Bemerkungen, die ihr immer noch zu denken gaben.
„Glaubt Ihr, er könnte mich angelogen haben?“, fragte sie.
„Dir geht diese Programmiererin nicht aus dem Kopf, habe ich recht?“ Die Falten um Cristofs Mund zeichneten sich noch offensichtlicher ab. „Vergiss sie. Alister hatte keinen Grund, über die Abstimmungsverhältnisse im Rat zu lügen.“
„Es sei denn, er war der Meinung, mich damit beeindrucken zu können“, gab Taya zu bedenken. Als weder Viera noch Cristof gegen ihre Worte protestierten, fuhr sie fort: „Er sagte, er hätte dem Erhabenen Octavus Statistiken über die ökonomischen Auswirkungen zerstörter Ehen vorgelegt. Das hätte den Erhabenen umgestimmt und auf Alisters Seite gezogen. Nach einem Irrtum klang das für mich nicht. Alister meinte sogar, der Angriff auf die Drahtfähre neulich könnte ein Werk der Zerrissenen Karten gewesen sein, die befürchten mussten, Caster könne noch andere Dekaturen vom Wert des mechanischen Herzens überzeugen und sie bewegen, anders als geplant abzustimmen.“
„Caster hat seine Meinung nicht geändert!“, sagte Viera mit Entschiedenheit. „Sonst wüsste ich davon, er hätte es mir gesagt. Das mechanische Herz war zwischen uns zu so etwas wie einem Dauerwitz geworden.“
„Oh.“ Entmutigt sackte Taya auf ihrem Stuhl zusammen.
Als Alister mit ihr flirtete und sie ziemlich genau wusste, dass er mehr nicht im Sinn hatte und bestimmt nicht auf eine ernsthafte Liebesbeziehung aus war, hatte ihr das nicht allzuviel ausgemacht. Mitzubekommen, dass er mit den Geheimnissen, die er ihr anvertraut hatte, höchstwahrscheinlich nur Eindruck bei ihr hatte schinden wollen, war traurig, aber letztlich auch kein Drama. Wenn er sie jedoch angelogen hatte – das wäre etwas vollkommen anderes.
Da ging ein Lügner hin und schrieb ein Programm, das die wahre Liebe garantieren sollte? Irgendwie war das komplett unlogisch.
Während Taya noch über diese Fragen nachdachte, war Cristof schon weiter. „Hat Caster hier Unterlagen aufbewahrt?“, wollte er von Viera wissen. „Wenn ja: Darf ich sie durchgehen?“
„Von mir aus liebend gern, nur sind die Papiere vertraulich“, antwortete Viera mit sichtlichem Bedauern. „Die Liktoren wollen alles mitnehmen und besorgen sich gerade einen entsprechenden Gerichtsbeschluss. Sie wären bestimmt nicht entzückt, wenn ich dir gestatte, die Sachen vorher anzusehen.“
Cristof nahm die Brille ab, putzte sie und starrte wie blind aus einem der Fenster. Taya warf Viera einen fragenden Blick zu. Die Antwort der Erhabenen hatte sie verwirrt. Dann wusste Viera also schon von Cristofs Suspendierung?
Oder?
Oder Viera hatte keine Ahnung davon, dass Cristof für die Liktoren arbeitete.
„Oh Herrin!“ Taya geriet in Panik. „Was, wenn Cristof mich nun auch anlügt?“
Kaum war ihr dieser grauenhafte Gedanke durch den Kopf geschossen, als Cristof auch schon zu einer Entscheidung gekommen zu sein schien. Er setzte die Brille auf und griff in seine Anzugtasche.
„Ich weiß, darüber wirst du jetzt nicht begeistert sein, Vi“, sagte er, indem er ihr ein zusammengefaltetes Stück Papier reichte. „Ich hatte gute Gründe, dir nichts davon zu sagen,
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