Das mechanische Herz
einen Blick zum Himmel, an dem sich die ersten roten Streifen des Sonnenuntergangs abzeichneten. „Wie spät mag es sein?“
„Kurz nach vier“, erwiderte Cristof nach einem Blick auf seine goldene Taschenuhr.
„Ich glaube, der Bombenleger hatte es auf Alister abgesehen.“ Eine Böe, die schwach den Geruch der Fabriken weiter unten in Tertius mit sich brachte, zerrte an Tayas Flügeln. „Es scheint keinen Grund zu geben, den Erhabenen Octavus aus dem Weg schaffen zu wollen. Alister aber hat an all diesen wichtigen Programmen gearbeitet. Außerdem wusste er, dass irgend etwas in der Stadt vor sich ging, auch wenn er ja annehmen musste, Ihr hättet damit zu tun. Wahrscheinlich hat er etwas gesagt, was den eigentlichen Spion aufhorchen ließ.“
„Aber leider befinden sich die Beweise für diese Annahme wohl da oben.“ Cristof deutete auf den Oporphyrturm. „Weißt du, wie lange es dauert, bis die Drahtfähre wieder instand gesetzt ist?“
„Wenn sie den Wettlauf gegen den ersten Schnee gewinnen, ein oder zwei Wochen“, sagte Taya. „Wenn es anfängt zu schneien, dauert es noch länger.“
„Verdammt!“ Cristof blickte zu den Bergen hinauf. „Eigentlich müssten wir nämlich jetzt da oben nach Hinweisen suchen.“
„Ich könnte hinauffliegen.“
Nachdenklich musterte Cristof Tayas metallene Schwingen.
„Aber wüsstest du denn, wonach du zu suchen hast?“, meinte er nach einer Weile.
„Nach allem, was uns weiterbringt“, sagte sie ein wenig dümmlich, woraufhin Cristof mit einem verdrießlichen Schnaufen seinen Blick wieder dem Berggipfel zuwandte.
„Es ist zu gefährlich“, meinte er. „Wir wissen nicht, wo der Mörder sich versteckt.“
„Ich könnte Euch mitnehmen.“ Taya sah hoch zur untergehenden Sonne. „Aber erst bei Tagesanbruch.“
Cristof zog die Brauen hoch.
„Wie meinst du das?“
„Fliegen. Alister hat immer gestichelt, ich möge ihm ein Paar Flügel bringen und ihn mit in die Lüfte nehmen. Aber ich tat es nicht.“ Ohne Cristofs Suspendierung wäre es ihr ein leichtes gewesen, ihn mit zum Turm zu nehmen. Es heimlich zu tun stellte sie dagegen vor einige Probleme. „Wir könnten morgen früh aufbrechen“, dachte sie laut. „Sobald es hell wird. Von Mitternacht bis Morgengrauen schiebt Paolo Wache, wenn wir Glück haben, schläft er wieder mal und kriegt gar nicht mit, dass wir die Landebahn benutzen. Für die Ikarier fängt die erste Schicht an, sobald die Sonne über den Berg steigt, also könnten wir längst weg sein, ehe jemand anderes sich blicken lässt. Natürlich kann es sein, dass jemand das Verschwinden der Besucherflügel bemerkt, aber derzeit läuft die ganze Flügelausgabe sowieso ziemlich chaotisch. Es ist auf jeden Fall sicherer, die Besucherflügel zu nehmen, als irgendeinem Ikarier die persönlichen Flügel zu stehlen.“
„Ich müsste Flügel tragen?“
„Anders kommt man nicht da hoch. Ich sorge für die nötigen Ausgleichsgewichte und sichere Euch mit einer Leine. Euch kann nichts passieren.“ Taya nickte. „Ja, so könnte es gehen.“
„Wenn wir erwischt werden ...“
„Wenn wir erwischt werden, dann erwarte ich von Euch, dass Ihr alle Hebel in Bewegung setzt und sämtlichen Einfluss geltend macht, um zu verhindern, dass sie mich für den Rest meines Lebens zum Bodendienst verdonnern“, sagte Taya. „Ich bin bereit, Euch zu helfen. Aber nicht um den Preis meiner Freiheit.“
Cristof schien mit sich zu ringen. Er nahm die Brille ab, polierte sie, massierte sich den Nasenrücken. Endlich rückte er seufzend die Brille wieder auf der Nase zurecht.
„Mit Viera zusammen bekomme ich es schon hin, dass man dich nicht zur Rechenschaft zieht, wenn etwas schiefgeht. Da bin ich mir sicher, und so schnell gibt es ja wirklich keinen Weg da rauf in Alisters Büro.“ Er steckte die Hände in die Manteltaschen, betrachtete aufmerksam die Pflastersteine vor seinen Füßen. „Morgen früh?“
„Sobald Ihr die Hand vor Augen sehen könnt, stoßen wir uns von der Landebahn ab.“
„Abgemacht.“
„Was ist eigentlich aus den Lochkarten geworden?“, wollte Taya wissen. „Nehmen wir die mit?“
„Nein. Ich habe sie heute morgen Amcathra übergeben. Lieber hätte ich sie behalten, aber dann schienen sie mir hinter Schloss und Riegel doch sicherer verwahrt. Außerdem habe ich die Empfehlung weiterleiten lassen, man möge den Labyrinthcode möglichst schnell neu schreiben.“
„Vielleicht könnte Kyles Gruppe das übernehmen.“
„Das
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