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Das mechanische Herz

Das mechanische Herz

Titel: Das mechanische Herz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dru Pagliassotti
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zu üben.“ Sie nahm ihm die Laterne ab. „Kommt. Wir wollen unsere Zerrissenen Karten suchen gehen.“
    ***
    Der Durchgang zur Großen Maschine war breit genug für zwei nebeneinander hergehende Menschen – vorausgesetzt, sie trugen keine Flügel – und fast so hoch wie ein gewöhnliches Zimmer, was bedeutete, dass sie hintereinander gehen und ihre Flügel in einer festen Position einrasten lassen mussten – auf Kopfhöhe und so, dass das Gelenk in einem scharfen Winkel über ihre Schultern ragte, während die Schwungfedern etwa einen halben Meter weit nach hinten stachen. Nach ungefähr sechs Metern gelangten sie an eine zweite Tür, auch diese aus Metall und halb offen.
    Vorsichtig stieß Cristof sie weiter auf, richtete die Nadelpistole hinein und trat hindurch. Wenig später winkte er Taya, ihm zu folgen.
    Die Leichtigkeit und Verspieltheit, die sie im Ratssaal überkommen hatte, war verraucht. Taya spürte eine wachsende Spannung. Ein tiefes, grummelndes Vibrieren lag in der Luft, ließ die Federn ihrer Flügel erzittern, setzte sich bis in die dicken Sohlen ihrer Stiefel fort. Das Geräusch der Großen Maschine, schätzte sie; ihre Hände waren schweißnass.
    Sie kamen an eine dritte offene Tür. Daran hing ein Schild mit der Aufschrift „Analytische Maschine des Rates von Oporphyr. Unbefugten ist der Zutritt verboten.“
    Cristof trat hindurch, die Pistole gezogen.
    Hinter der Tür wand sich eine Treppe ins Berginnere hinunter. Die Luft war unbewegt und warm. Als Taya eine Hand an den Fels legte, fühlte sie den Stein unter ihren Fingern vibrieren.
    Für den Abstieg ließ Cristof seine Flügel in der hohen Position einrasten, so dass sie hinter seinem Kopf aufragten. Dabei musste er die Pistole kurzfristig von einer Hand in die andere nehmen, was er mit ungehaltenem Gebrummel kommentierte. Taya folgte ihm klaglos. Sie war die Unbequemlichkeiten gewohnt, die das Tragen einer Flugausrüstung mit sich brachte.
    Je tiefer sie hinabkletterten, desto lauter wurde das dumpfe Vibrieren, bis man es schließlich als konstantes, mechanisches Stampfen identifizieren konnte. Taya ging davon aus, dass der Lärm von den Dampfmaschinen kam, die die Große Maschine antrieben. Sie kamen ihr allerdings um einiges lauter vor als die, von denen der Rechner im Keller der Hochschule angetrieben wurde.
    Die Treppe endete in einem kleinen Flur mit einer weiteren Tür.
    „Analytische Maschine des Rates von Oporphyr. Zutritt für Besucher nur in Begleitung eines Mitglieds des Sicherheitsdienstes.“
    Fahles Licht drang ins Treppenhaus, und der rumpelnde, stampfende Lärm wurde lauter, als Cristof der Tür einen Stoß versetzte. Er reckte den Hals und versuchte zu erkennen, was dahinter lag.
    Taya drehte ihre Lampe herunter und stellte sie auf dem Treppenabsatz ab.
    Zufrieden mit was auch immer er sah, öffnete Cristof die Tür ganz und drehte sich so, dass er sich mit den Flügeln hindurchschieben konnte. Dicht hinter ihm glitt Taya durch die Öffnung.
    Die Tür führte auf einen breiten Laufsteg, der einmal um den hohlen Kern des Berges verlief. Um diesen Steg wanden sich dicke Metallbänder und erstreckten sich von dort aus dichten Spinnweben gleich über die Wände, wo sie Leuchtröhren speisten, die viel heller strahlten als jede Gaslampe, die Taya je gesehen hatte. Die Röhren zeigten alle nach innen, zur Mitte des Berges, wo sie die riesige hohle Kammer im Herzen Ondiniums sowie den gigantischen, schwebenden, unablässig tätigen Mechanismus, den man die Große Maschine nannte, beleuchteten.
    Überwältigt von ihrer Größe trat Taya an das Eisengeländer des Stegs und blickte in die Tiefe.
    Die Maschine reichte so weit hinunter, wie sie sehen konnte, eine Ebene aus Bewegung folgte auf die andere. Kolben, so umfangreich wie Bäume, bewegten sich vor und zurück. Zahnräder und Wellen, so riesig wie Fuhrwerke und Herrenhäuser, drehten sich in der Luft, miteinander verbunden durch die Genialität der Menschen, die sie erdacht und erbaut hatten, und durch die dünnen, leichten Drähte, die die Komponenten zusammenhielten, von denen jede einzelne trotz ihrer Ausmaße weniger wog als die Luft. Hier gab es Hebel, die so groß wie Drahtfährentürme waren, und dicke Drahtseile, die die Kraft von den vor sich hinstampfenden Dampfmaschinen auf jedem der Laufstege, die sich in gewissen Abständen um das Berginnere zogen, weiterleiteten. In der Mitte eines zuckenden, hüpfenden Netzwerks aus Metallarmen drehten sich riesige

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