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Das mechanische Herz

Das mechanische Herz

Titel: Das mechanische Herz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dru Pagliassotti
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ab.
    „In Ordnung.“ Ergeben massierte er seinen Nasenrücken unter dem Brillengestell. „Aber sei vorsichtig.“
    Taya nickte. Als sie auf das Eisengeländer des Stegs stieg, schwankte das Metall gefährlich hin und her, und sie gleich mit. Cristof trat vor und packte sie am Geschirr, traute sich aber nicht, ihr zuzusehen, sondern wandte den Kopf zur Seite. Taya schob die Arme in die Flügelhalterung. Als sie die Flügel ausrasten ließ, musste sich der Erhabene hastig ducken, um nicht von den Metallfedern getroffen zu werden.
    „Tut mir leid!“, meinte Taya erschrocken.
    Cristof hielt sich panisch an ihren Geschirriemen fest. „Loslassen!“, befahl sie streng, woraufhin er sie folgsam freigab und einen Schritt zurücksprang, als sie sich vom Geländer abstieß.
    Taya ließ sich fallen, bis der oberste Steg in sicherem Abstand über ihr lag. Dann erst breitete sie die Flügel aus, kippte den Körper in eine Schräglage und schlug heftig mit den Flügeln, um parallel zur Krümmung des Berginnern zu bleiben. Es war warm hier unten, warm und geschäftig. Unvorhersehbare Aufwinde und Luftströme, die von den Dampfmaschinen und den Kohlestäbchenlampen herrührten, bereiteten ihr einiges Kopfzerbrechen. Noch dazu herrschte ringsum ein ständiges Drehen, Stampfen und Klicken, das sie immer wieder ablenkte. Mehr als einmal erwischte sie ein Aufwind so unerwartet, dass sie einen kleinen Hüpfer tat, der sie unsanft daran erinnerte, sich gefälligst auf ihre Balance zu konzentrieren.
    Also konzentrierte Taya sich. Sie war es gewohnt, in engem Luftraum zu navigieren, an Türmen vorbei und zwischen Kabeln hindurchzufliegen, anders ging es ja nicht, wollte man sich über der dichtbesiedelten Stadtlandschaft von Ondinium bewegen. Aber normalerweise war sie allein unterwegs. Höchstens glitt einmal eine Drahtfährengondel langsam an ihr vorbei, ein Vogel kam geflogen, oder ein anderer Ikarier zog gemächlich über ihr dahin. So dicht neben der Großen Maschine zu fliegen verlangte ihr weit mehr Geschicklichkeit ab, als ein Flug über die Stadt.
    Sie war sehr froh darüber, dass sie Cristof zurückgelassen hatte.
    Beim Gedanken an ihn beschrieb sie einen Kreis zwischen der Bergwand mit ihren vielen Stegen und der gigantischen, geschäftigen Maschine, und sah auf.
    Der Erhabene hatte sich über das Geländer seines Stegs gebeugt und sah ihr zu. Hoch über seinem Kopf glitzerten die Flügel.
    „Er schaut echt nach unten!“ Zufrieden mit sich und ihrem Schüler, kippte Taya die Flügel zu einem kurzen Gruß, ehe sie ihren Abstieg um die Maschine herum in langsamen, vorsichtigen Spiralen begann. Cristof winkte nicht zurück. Wahrscheinlich hatte er dafür keine Hand frei, wahrscheinlich klammerte er sich am Geländer fest, als könnte ihn jede unbedachte Bewegung das Leben kosten.
    Taya kam aus dem Staunen nicht heraus, als sie die Große Maschine Ondiniums umflog. Fünfzig Jahre hatte man gebraucht, um sie zu bauen, das wusste sie aus der Schule, und seitdem bastelten die Ingenieure unentwegt weiter daran herum, passten die Maschine den jeweiligen Gegebenheiten an, experimentierten. So war die Maschine ständig gewachsen und mit ihr der Raum, in dem sie untergebracht war. Sobald im Berg eine der Ondiumminen erschöpft war, hatte man deren Tunnel zerstört und die letzten Reste Metall eingeschmolzen, um neue Zahnräder daraus zu fertigen. Aus dem Felsgestein waren die Häuser, Brücken und Statuen entstanden, die Ondinium zu der dichtest besiedelten Stadt der Welt hatten werden lassen.
    Die Siedehitze im Berginnern und die Vibrationen der Maschine ließen die Luft erzittern. Luftströme tanzten und brachen sich aneinander, während sich gewaltige Zahnräder drehten und nicht minder gigantische Kolben stampften. Durch den leeren Raum um die Große Maschine herum verliefen im Zickzack dicke Kabel, die an Ausgleichsgewichten aus Ondium hingen. Sie transportierten Öl, Dampfdruck und bestimmt auch sonst noch allerhand, wobei Taya nicht hätte sagen können, was alles. An mehreren Laufstegen, die sie passierte, entdeckte sie auf riesigen, massiven Plattformen Dampfmaschinen, die laut vor sich hinzischend die Energie für das helle Licht und auch für die Große Maschine selbst produzierten. Auf anderen Stegen waren dicke Eisenzylinder aufgereiht, wie Taya sie von oben aus auch in der Maschine entdeckt hatte. Dort hatten sie sich gedreht – hier standen sie in Decken gehüllt und waren mit dicken Kabeln an der Wand

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