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Das mechanische Herz

Das mechanische Herz

Titel: Das mechanische Herz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dru Pagliassotti
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um dein Leben fürchten.“ Wie zufällig berührten seine schmalen Finger das Messer, ohne es dabei anzusehen.
    Auch Taya sah nicht auf den Tisch. Wenn Cristof sie angreifen wollte, dann würde er es ohne Vorwarnung tun. Er wollte wieder einmal unhöflich sein, mehr nicht.
    „Seid Ihr einer?“, bohrte sie nach.
    Kopfschüttelnd nahm er die Hand vom Messer. „Nein. Trotzdem solltest du dich vorsehen, wie und wann du jemanden verleumdest. Wenn du einen Verdacht hegst, musst du ihn den Liktoren melden.“
    „Was ist damit?“ Herausfordernd wies Taya mit dem Kinn auf den Drahtfährenplan. „Das finde ich nicht minder verdächtig.“
    Mit wütend zusammengekniffenen Lippen riss Cristof den Plan an sich, um ihn zusammenzufalten.
    „Ich habe mir Alternativstrecken bis hoch nach Primus und zum Turm zusammengestellt. Ich fahre schon normalerweise nicht gern mit der Drahtfähre, und seit dem Unfall gestern ist mir das Transportmittel doppelt zuwider.“
    Noch war Taya nicht ganz überzeugt. Gut möglich, dass er die Wahrheit sagte, aber ihr missfiel die Art, wie er die Karte hastig zusammenfaltete, um sie nun auch noch in ein Regal zu stopfen.
    Cristof drehte sich um und schob sich die Brille auf der Nase zurecht. „Ist die Befragung beendet? Ich würde gern wieder an die Arbeit gehen.“
    Taya schüttelte den Kopf. „Tut mir leid, Ihr habt meine Frage noch nicht beantwortet. Warum waren Eure Hände letzte Nacht so schmutzig?“
    „Oh, um der Herrin willen!“ Cristofs Ton war bissiger geworden, was Taya an seinen Wutausbruch am vergangenen Abend denken ließ. Seltsamerweise fand sie das beruhigend, schien ihr doch die Verärgerung echter als sein bemüht gutes Betragen vorher. „Ich habe das Uhrwerk einer Sektorenuhr gerichtet! Die ging schon seit einem Monat nach, und gestern hatte ich endgültig die Geduld verloren.“
    „Ihr habt die Geduld verloren?“ Nur mit Mühe konnte sich Taya ein Lachen verkneifen. „Ein Mann von Eurer Selbstbeherrschung, Erhabener?“
    Einen Augenblick lang wirkte Cristof völlig verdattert – ehe er ihr einen wütenden Blick zuwarf.
    „Warum habt Ihr Euch nicht gleich dort die Hände gewaschen?“, bohrte Taya weiter.
    „In den Uhrentürmen gibt es keine Wasserpumpen. Ich wollte mir die Hände am Brunnen auf dem Markt waschen, aber deine Hilferufe kamen mir dazwischen.“
    „Oh.“ Eine einleuchtende Erklärung – er war also unschuldig. Seltsam, fand Taya, mit welcher Erleichterung sie diese Erkenntnis aufnahm.
    Cristof jedoch blickte nach wie vor finster drein. Sie warf ihm ihr strahlendstes Lächeln zu.
    „Danke, Erhabener! Diese Frage quält mich schon den ganzen Morgen, und ich bin heilfroh, eine Antwort darauf gefunden zu haben. Jetztist die Befragung beendet.“
    Mit einem ärgerlichen Laut wandte sich Cristof seinem Bier zu, wobei sein Blick auch auf Tayas Becher fiel, der immer noch unberührt auf dem Tisch stand. Mit einem schiefen Grinsen hob er ihn auf, um ihn ihr erneut anzubieten.
    „Dann hast du wohl auch keine Angst mehr, mit mir zu trinken.“ Noch immer klang er missvergnügt.
    Eigentlich hatte Taya gedacht, er werde sie jetzt so schnell wie möglich loswerden wollen. Überrascht griff sie nach dem Becher.
    „Auch Euer Bruder bot mir gestern etwas zu trinken an“, bemerkte sie, „und jetzt Ihr – so höflich behandeln Erhabene mich sonst nie. Ist das bei der Familie Forlore Sitte?“
    „Ich nehme an, Alister hat dir etwas zu trinken angeboten, weil er dich attraktiv findet.“ Cristof klang nach wie vor übellaunig. „Ich biete dir etwas zu trinken an, weil es unhöflich wäre, in deiner Gegenwart allein zu trinken und ich Durst habe.“
    Taya trank ihr Bier, unsicher, wie sie reagieren sollte. Fand Alister Forlore sie wirklich attraktiv? Kein schlechter Gedanke, einer, der ihr das Herz wärmte! Sie fand den Mann ja auch nicht gerade hässlich.
    Cristof schob ihr die Hälfte seines kargen Mittagsmahls hin. „Hast du schon gegessen?“ Ohne ihre Antwort abzuwarten, setzte er sich an den Tisch und machte sich mit den Fingern über seinen Teil Wurst, Käse und Gurken her.
    „Es wäre unhöflich, in meiner Gegenwart zu essen, ohne mir etwas anzubieten?“
    „Genau.“
    Eine Sekunde lang wollte Taya dankend ablehnen, aber dann siegte der Hunger. Ganz gleich, ob die Einladung von Herzen kam oder nicht, eine Einladung blieb es, und Taya verfügte wie alle Ikarier über einen gesegneten Appetit.
    Sie zog sich einen Stuhl an den Tisch und nahm Platz.

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