Das mechanische Herz
der sämtliche Verbindungen zwischen den Sektoren aufzeigte, bis hoch zum Oporphyrturm. Jemand hatte mit Bleistift an vielen Stellen kleine Zeichen eingetragen.
Erregt beugte sich Taya darüber. Markierte eines der Symbole auch die Stelle, an der gestern der Unfall stattgefunden hatte?
Als Cristof mit zwei Zinnbechern und einem dunklen Fläschchen in den Händen ins Zimmer zurückkehrte, richtete sich Taya hastig wieder auf und zog die Hand zurück. Der Erhabene schien nichts bemerkt zu haben. Ruhig löste er das Wachssiegel der Flasche und stellte die beiden Becher auf den Tisch.
„Stout!“, verkündete er denkbar knapp.
Taya musterte ihn von der Seite. Was sollte sie von diesem indirekten Angebot halten?
„Danke“, meinte sie schließlich. Gegen gute Manieren konnte ja wohl selbst ein schlechtgelaunter Erhabener nichts einzuwenden haben.
Wortlos schob er ihr einen vollen Becher zu, ehe er sich selbst einschenkte. Sehr geschickt, wie Taya, die interessiert zusah, feststellen musste. Er wusste, wie man das Bier so einschenkte, dass wenig Schaum entstand. Das hätte sie von einem Erhabenen nicht erwartet. Immerhin brauchten diese Menschen sich normalerweise nicht selbst zu bedienen; sie wuchsen umgeben von Dienstboten auf, die ihnen die erlesensten Weine und Spirituosen sofort einschenkten, sobald es sie danach gelüstete. Offenbar passte man sich den Trinkgewohnheiten der unteren Klassen an, wenn man Seite an Seite mit der Unterschicht lebte.
Inzwischen hatte Cristof auch seinen Becher gefüllt und sah auf.
„Ich warte!“, sagte er mit angespannter Stimme. „Erklärst du mir jetzt, was du hier willst? Wir beide haben ja wohl kaum etwas miteinander zu schaffen, es sei denn, du bringst mir einen kaputten Chronometer, der repariert werden muss.“
„Ich besitze keinen Chronometer, weder einen heilen noch einen kaputten.“ Taya schluckte – wie sollte sie weitermachen? Schließlich siegte die Aufrichtigkeit. „Ich bin hier, weil ich Euch wegen gestern nacht etwas fragen möchte.“
„Ich habe den Angriff auf dich bereits den Liktoren gemeldet.“ Cristof trank einen Schluck, strich sich beiläufig mit dem Daumen den Schaum von der Oberlippe und stellte den Becher ab, ehe er ein Messer vom Tisch nahm, das er an einem sauberen Lappen abwischte, um damit die Wurst in Stücke zu schneiden. „Sie wollen sich in den Siechenhäusern umsehen. Man wird dich benachrichtigen, wenn sie den Demikaner finden, den wir verwundet haben. Davon gehe ich zumindest aus.“
Den wirverwundet haben. Wie schön, dass er nicht ihr allein die Verantwortung für diese Verletzung in die Schuhe schob.
„Danke. Ich habe letzte Nacht nach dem Brand mit den Liktoren gesprochen. Das war es nicht, wonach ich fragen wollte.“
Cristof hatte die Gurken in Hälften zerlegt und säbelte nun dicke Scheiben vom Käse.
„Dann frag.“
Taya richtete sich auf. Entschlossen stellte sie den Becher ab. „Warum waren Eure Hände befleckt, als wir uns trafen?“
Die Hand mit dem Messer stockte mitten in der Luft. Cristof legte den Kopf schief und warf Taya einen verständnislosen Blick zu. Die grauen Augen hinter den glitzernden Brillengläsern blinzelten verdutzt.
„Was?“
„Eure Hände waren fleckig, als wir uns letzte Nacht begegneten. Als Ihr mich letzte Nacht rettetet, sollte ich vielleicht besser sagen“, fügte sie hastig hinzu, damit er bloß nicht auf die Idee kam, sie hätte diesen Aspekt ihres Treffens vergessen. „Ich frage mich ...“
Stirnrunzelnd legte Cristof das Messer ab und richtete sich auf. Fasziniert sah Taya zu, wie er den Lappen aufnahm, an dem er zuvor das Messer blankgerieben hatte, und sich die fettigen Finger säuberte.
„Was für eine merkwürdige Frage!“, sagte er langsam, ohne sie aus den Augen zu lassen. „Warum solltest du ...“ Dann fiel es ihm wie Schuppen von den Augen. Er ließ den Lappen fallen und stieß ein boshaftes Lachen aus. „Oh! Ich verstehe! Du glaubst, ich hätte die Bombe gelegt!“
Taya holte tief Luft, ehe sie das Kinn reckte und langsam wieder ausatmete.
„Die Frage liegt auf der Hand. Einem anderen Erhabenen würde ich sie nicht stellen, das würde ich nicht wagen. Aber Ihr habt doch bestimmt nichts dagegen, wenn eine Ikarierin Euch verhört.“
Cristofs Brauen zuckten – offenbar erinnerte auch er sich noch an die Auseinandersetzung, die sie in der vergangenen Nacht zu diesem Thema geführt hatten.
„Wäre ich ein Bombenleger, Ikarierin, dann müsstest du jetzt
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