Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Das mechanische Herz

Das mechanische Herz

Titel: Das mechanische Herz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dru Pagliassotti
Vom Netzwerk:
Kellerladen des Verbannten unterschied sich in nichts von den anderen in der Straße. Hier gab es keinen Anhaltspunkt, woraus man hätte schließen können, dass der Inhaber eine Welle auf seiner Wange trug und keinen Kreis auf der Stirn.
    An der Treppe, die von der Straße hinunter in den Laden führte, blieb Taya stehen. Auf den Treppenstufen hockten drei schmutzige Kinder, zwei Jungen und ein Mädchen, eifrig damit beschäftigt, kleine Metallstücke miteinander zu tauschen.
    Eines der Kinder warf ihr von unten her einen Blick zu. Der Junge war der älteste der drei, wobei sein nacktes Gesicht jedoch darauf schließen ließ, dass er die große Prüfung noch nicht abgelegt hatte, also noch keine sieben Jahre alt sein konnte.
    „Der Laden hat zu“, sagt er. „Der Uhrmacher kommt aber gleich wieder, falls du warten möchtest.“
    Taya warf einen Blick auf die Ladentür. Richtig: Am Türknauf hing ein Schild, das verkündete, der Laden sei geschlossen.
    „Er versteckt sich nicht einfach da drinnen?“
    „Nee!“
    „Aha.“ Taya dachte einen Augenblick nach, ehe sie stoisch die Achseln zuckte. Hätte sie ihre Flügel gehabt, wäre sie jetzt gegangen, um später wiederzukommen. Aber sie hatte wenig Lust, zweimal am selben Tag die Treppe zur Brücke der Feinschmiede hochzusteigen. Die Chronometer im Ladenfenster zeigten an, dass es kurz vor Mittag war. „Ich glaube, ich warte. Seid ihr Freunde des Uhrmachers?“
    „Nachbarn.“ Der Junge wies mit dem Daumen auf den Laden nebenan, einen Perückenmacher.
    „Willst du mit uns ditschen?“ Der kleinere Bub hielt einen vulkanisierten Gummiball hoch. „Wir spielen um Scheiben.“
    Taya hockte sich hin. „Ich habe keine Scheiben.“ Aber sie erinnerte sich noch daran, welche besessen zu haben. Genau wie diese Kinder hier hatten auch sie und ihre Freunde in den Schmieden kleine Metallstücke gesammelt, die sie untereinander als Währung benutzten.
    „Wie wäre es mit deiner Feder?“ Der ältere Junge wies auf die Brosche an Tayas Revers.
    „Tut mir leid, die ist Regierungseigentum.“ Taya kramte in ihren Taschen nach Münzen. „Ich spiele um Pennies. Sechs Scheiben für einen Penny.“
    „Vier.“
    „Fünf.“
    „In Ordnung.“
    Das jüngste Kind, ein Mädchen, das höchstens vier Jahre alt sein konnte, malte mit einem winzigen Kreiderest einen ziemlich windschiefen Kreis auf die Pflastersteine, um den Taya und die Kinder sich knieten. Bald konzentrierten sich alle nur noch auf den hüpfenden Ball und die bunten Steinchen, die als weitere Markierungen benutzt wurden.
    Taya musste die ersten fünf Spiele als Verlust verbuchen, gewann ihre Pennies jedoch rasch wieder, als ihr altes Geschick für das lange nicht mehr gespielte Spiel zurückkehrte. Lachend fing sie den Ball im Flug, als er an der Kante eines Pflastersteins abprallte und auf die Ladentür zuflog. Der älteste Junge grinste anerkennend.
    „Das hast du mit Absicht gemacht!“, beschuldigte sie ihn, während sie den Ball gekonnt mitten in den Kreis zurückspringen ließ.
    „Wollt’ bloß mal sehen, wie gut du bist“, konterte der Kleine fröhlich.
    Das Mädchen hob lauschend den Kopf und sah die Straße hinunter. „Uhri ist wieder da!“, verkündete sie.
    Hastig wischten die Jungen die Kreide vom Pflaster. Taya schnappte sich ihre drei Pennies, die der Ältere gleich mit aufwischen wollte – er warf ihr ein Grinsen zu, das von wenig Zerknirschung zeugte – und drehte sich um. Die drei Kinder hockten sich wieder auf die oberste Treppenstufe.
    Cristofs Schritte wurden langsamer, als er die kleine Gruppe sah, die auf ihn wartete.
    Selbst nachdem sie ihm nun zweimal begegnet war, berührte es Taya seltsam, das Kastenzeichen so offen in dem nackten Gesicht zur Schau gestellt zu sehen, darunter die schlichte Kleidung. Wie am Abend zuvor trug der Erhabene einen dunklen Anzug unter einem langen Mantel, und in einer Armbeuge hielt er ein in Zeitungspapier gewickeltes Paket. Der Herbstwind spielte mit dem kühn gestutzten kurzen Haar und ließ es in dichten Büscheln hochstehen, wodurch der ungleichmäßige Schnitt noch deutlicher sichtbar wurde.
    Er musterte Taya kurz, ehe er sich den Kindern zuwandte, die sich kerzengerade in einer Reihe zwischen ihm und der Ladentür aufgebaut hatten. Missbilligend beäugte er die kleine Schar über die Brillenränder hinweg.
    „Was habt ihr drei widerlichen Blagen hier auf meiner Schwelle verloren?“
    Taya schnappte indigniert nach Luft, aber ein Protest erstarb

Weitere Kostenlose Bücher