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Das Meer Der Lügen: Ein Lord-John-Roman

Titel: Das Meer Der Lügen: Ein Lord-John-Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Diana Gabaldon
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denn sein Verstand suchte mit Verspätung nach den logischen Verbindungen, die den Schluss untermauern konnten, zu dem seine unteren Instinkte gekommen waren.
    » Jack Byrd wusste von dem Problem«, hatte Trevelyan gesagt, als er von seiner Infektion sprach. » Er war es, der mir gesagt hat, dass Finbar Scanlon sich mit solchen Dingen auszukennen schien.«
    Und Maria Mayrhofer hatte gesagt, ihr Mann habe Trevelyan gedroht, sie gefragt, was mit ihm geschehen werde, wenn bekannt wurde, dass er nicht nur ein Ehebrecher war, sondern ein Sodomit dazu.
    Nicht so schnell , mahnte Grey sich selbst. Aller Wahrscheinlichkeit nach hatte Mayrhofer sich ja nur auf Trevelyans Verbindungen zum »Lavender House« bezogen. Und es war keineswegs ungewöhnlich, dass ein ergebener Diener in die intimen Angelegenheiten seines Herrn eingeweiht
war - er erschauerte bei dem Gedanken daran, was Tom inzwischen über seine eigene Intimsphäre wusste.
    Nein, er musste sich eingestehen, dass dies bloße Fetzen von etwas waren, das als Beweis längst nicht ausreichte. Noch weniger konkret - jedoch vielleicht verlässlicher - war sein eigener Eindruck von Joseph Trevelyan. Grey hielt sich für alles andere als unfehlbar - er wäre in hundert Jahren nicht darauf gekommen, dass Egbert Jones »Miss Irons« war, wenn er es nicht selbst gesehen hätte. Und doch war er sich so sicher, wie es eben möglich war, dass Joseph Trevelyan keine derartigen Neigungen verspürte.
    Um der Logik willen vergaß er jede Bescheidenheit und räumte errötend ein, dass diese Schlussfolgerung vor allem anderen darauf basierte, dass Trevelyan nicht auf seine Person ansprach. Männer wie er lebten im Verborgenen - doch es gab Signale, und er war geübt darin, sie zu lesen.
    Möglich also, dass auf Trevelyans Seite wirklich nicht mehr vorlag als die tiefe Wertschätzung eines guten Dienstboten. Doch Jack Byrds Seele bestand nicht nur aus hingebungsvoller Diensterfüllung, das hätte er auf eine ganze Gallone Brandy geschworen. So sagte er sich grimmig, während er wie ein Affe in die Eingeweide des Schiffes kletterte, um nach Finbar Scanlon und der endgültigen Lösung des Rätsels zu suchen.
     
    Und nun, zu guter Letzt, die Wahrheit.
    »Seht Ihr, wir sind Soldaten, wir Scanlons«, sagte der Apotheker und schenkte sich Bier aus einem Krug ein.
»Das ist bei uns Familientradition. Jeder Mann bei uns, seit fünfzig Jahren, bis auf die, die als Krüppel zur Welt kommen oder nicht kräftig genug sind.«
    »Ihr macht aber nicht den Eindruck, als wärt Ihr nicht kräftig genug«, merkte Grey an. »Und ein Krüppel schon gar nicht.« Scanlon war in der Tat ein gut aussehender, kräftiger Mann mit klar geformten Gliedmaßen.
    »Oh, ich bin auch Soldat gewesen«, sagte er mit glitzernden Augen. »Ich habe eine Zeit lang in Frankreich gedient, hatte aber das Glück, der Assistent des Regimentschirurgen zu werden, als sein eigentlicher Helfer auf dem Schlachtfeld ins Gras gebissen hat.«
    Scanlon hatte festgestellt, dass ihm die Arbeit lag und Freude machte, und hatte innerhalb weniger Monate alles gelernt, was ihm der Stabsarzt beibringen konnte.
    »Dann sind wir bei Rouen unter Artilleriebeschuss geraten«, sagte er achselzuckend. »Schrapnell.« Er lehnte sich auf seinem Hocker zurück, zog den Hemdsaum aus seiner Hose und schob ihn hoch, um Grey ein großes Netz von Narben zu zeigen, die sich - immer noch rosa - über seinen muskulösen Bauch zogen.
    »Ist an mir entlanggeschrammt und hat mir die Eingeweide herausgerissen«, sagte er beiläufig. »Aber dank der Mutter Gottes war der Chirurg in der Nähe. Hat sie mit der Faust gepackt und sie mir wieder in den Bauch gestopft und mich dann fest in Honig und Verbände eingeschnürt.«
    Wie durch ein Wunder hatte Scanlon überlebt, war aber natürlich als Invalide aus der Armee entlassen worden. Da er einen anderen Weg finden musste, sich seinen Lebensunterhalt zu verdienen, hatte er sich seinem Interesse
an der Medizin zugewandt und war bei einem Apotheker in die Lehre gegangen.
    »Aber meine Brüder und meine Vettern! Eine ganze Reihe von ihnen sind immer noch Soldaten«, sagte er. Er trank einen Schluck Ale und schloss genussvoll die Augen, während es ihm durch die Kehle lief. »Und zufälligerweise hat keiner von uns viel für einen Mann über, der den Verräter spielt.«
    Nach dem tätlichen Angriff auf Francine hatte Jack Byrd ihr und Scanlon erzählt, dass der Sergeant wahrscheinlich ein Spion war und sich im Besitz

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