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Das Meer Der Lügen: Ein Lord-John-Roman

Titel: Das Meer Der Lügen: Ein Lord-John-Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Diana Gabaldon
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lächelte ebenfalls, während sein Kopf im Champagner schwamm.
    »Wie wär’s, alter Knabe - Ihr wollt nicht vielleicht eine Doppelhochzeit draus machen, oder? Da wäre schließlich meine Schwester…«
    Melissa Stubbs war Malcolms Zwillingsschwester, eine pummelige, lächelnde junge Frau, die ihm in diesem Moment von der Terrasse aus einen allzu viel sagenden Blick zuwarf. Für den Bruchteil einer Sekunde verspürte Grey das Bedürfnis, etwas von sich zurückzulassen, dem Lockruf der Unsterblichkeit, bevor man ins Leere tritt.
    Es wäre ja gut und schön, dachte er, falls er nicht zurückkam - aber was, wenn er es doch tat? Er lächelte, klopfte Stubbs auf den Rücken und entschuldigte sich unter dem Vorwand, sich etwas zu trinken holen zu wollen.
    »Ihr wollt doch nicht etwa diese Franzosenbrühe trinken, oder?«, sagte Quarry an seiner Seite. »Bläht Euch auf wie eine Blase mit all dem Gas.« Quarry selbst hatte sich eine Riesenflasche Rotwein unter den einen Arm geklemmt, eine große blonde Frau unter den anderen. »Darf ich dich Major Grey vorstellen, Mamie? Major, Mrs. Fortescue.«
    »Stets zu Diensten, Ma’am.«
    »Ein Wort unter vier Augen, Grey?« Quarry ließ Mrs. Fortescue kurz los und trat dicht an Grey heran. Sein zerfurchtes Gesicht glänzte rot unter der Perücke.
    »Wir haben endlich Nachricht erhalten, was den neuen Posten angeht. Aber etwas ist merkwürdig -«

    »Ja?« Das Glas in seiner Hand war rot, nicht golden, als enthielte es den leuchtenden Wein, der »Schilcher« hieß und wie Blut gefärbt war. Doch dann sah er die Bläschen aufsteigen und begriff, dass das Feuerwerk die Farbe gewechselt hatte. Das Licht um sie herum wurde rot, dann weiß, dann wieder rot, und Rauchgeruch trieb durch die Glastür herein, als stünden sie im Zentrum eines Bombardements.
    »Ich habe mich gerade mit diesem Deutschen da unterhalten, von Namtzen. Er möchte, dass Ihr eine Art Verbindungsoffizier zu seinem Regiment werdet; hat schon mit dem Kriegsministerium gesprochen, sagt er. Scheint große Hochachtung für Euch zu hegen, Grey.«
    Grey kniff die Augen zu und trank einen Schluck Champagner. Von Namtzens blonder Kopf war auf der Terrasse zu sehen, das gut geschnittene Profil zum Himmel emporgekehrt, fasziniert wie das eines Fünfjährigen.
    »Nun, Ihr braucht Euch natürlich nicht sofort zu entscheiden. Dachte nur, ich sollte es erwähnen. Bereit für die nächste Runde, Mamie, Schätzchen?«
    Bevor Grey antworten konnte, waren die drei - Harry, die Blonde und die Flasche - in einer wilden Gavotte davongaloppiert, und am Himmel explodierten Feuerräder und Wasserfälle aus Rot und Blau und Grün und Weiß und Gelb.
    Stephan von Namtzen drehte sich um und sah ihn an. Er hob salutierend sein Glas. Am Ende des Zimmers spielten die Musiker immer noch Händel, wie die Musik seines Lebens, Schönheit und Heiterkeit, immer wieder unterbrochen vom Donnern fernen Feuers.

Die Flammen der Hölle
    Eine Lord-John-Erzählung
    Deutsch von Barbara Schnell

    Originaltitel: Hellfire
     
     
     
     
     
     
     
     
     
     
     
     
     
     
     
     
     
     
     
     
    © 1999 by Diana Gabaldon
© der deutschsprachigen Ausgabe 2005 by
Blanvalet Verlag, München,
in der Verlagsgruppe Random House GmbH

TEIL EINS
    LONDON, 1756.
    Die Gesellschaft zur Wertschätzung des englischen Beefsteaks, ein Herrenclub
     
    Lord John Grey riss seinen Blick von der Tür los. Nein, nein, er durfte sich nicht umdrehen, nicht dort hinstarren. Da er einen anderen Fixpunkt für seinen Blick brauchte, heftete er ihn stattdessen auf Quarrys Narbe.
    »Trinkt Ihr ein Glas mit mir, Sir?« Kaum hatte der Steward des Clubs seinem Begleiter eingeschenkt, als Harry Quarry seinen Becher Rotwein auch schon leerte und ihn zum Nachfüllen hinhielt. »Und vielleicht noch eins, zur Feier Eurer Rückkehr aus dem frostigen Exil?« Quarry grinste, wobei die Narbe seinen Augenwinkel zu einem anzüglichen Zwinkern verzog, und hob erneut sein Glas.
    Lord John nahm das Prosit entgegen, indem er seinen eigenen Becher neigte, doch er schmeckte den Inhalt kaum. Mit Mühe hielt er seinen Blick auf Quarrys Gesicht gerichtet und zwang sich, sich nicht umzudrehen und dem feurigen Blitz nachzustarren, der ihm im Korridor ins Auge gefallen war.

    Quarrys Narbe war verblichen, sie hatte sich zusammengezogen und war zu einem dünnen, weißen Schlitz geschrumpft, dessen wahren Ursprung man nur noch an seiner Position erkannte, denn er zog sich im spitzen Winkel über seine rote Wange.

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