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Das Meer Der Lügen: Ein Lord-John-Roman

Titel: Das Meer Der Lügen: Ein Lord-John-Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Diana Gabaldon
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wir sollten uns Iphigenia Stokes und ihre Familie einmal näher ansehen.«
    »Ihr glaubt wohl, sie hat’s getan, wie? Die geschmähte Frau und so weiter - und ihre Brüder sind Seeleute. Seeleute tragen stets Holzabsätze; mit Leder rutscht man an Deck.«
    Grey sah ihn überrascht an.

    »Woher wisst Ihr das, Harry?«
    »Bin einmal mit neuen Schuhen und Lederabsätzen von Edinburgh nach Frankreich gesegelt«, sagte Harry und hob ein Salatblatt auf, um einen hoffnungsvollen Blick darunter zu werfen. »Eine Windbö nach der anderen, und ich hätte mir beinahe ein halbes Dutzend Mal das Bein gebrochen.«
    Grey pflückte Quarry das Salatblatt aus der Hand und aß es.
    »Gut mitgedacht«, sagte er und schluckte. »Und es würde auch die persönliche Feindseligkeit erklären, die dem Verbrechen sichtlich anhaftet. Aber nein, ich kann mir nicht vorstellen, dass Miss Stokes den Sergeant hat ermorden lassen. Scanlon fällt es gewiss leicht, sich den Anschein frommer Betroffenheit zu geben, um Verdächtigungen zuvorzukommen - doch ihr nicht. Ihr war es absolut ernst mit ihrem Wunsch, O’Connell anständig unter die Erde zu bringen, da bin ich mir sicher.«
    »Mmm.« Quarry rieb sich nachdenklich über die Narbe auf seiner Wange. »Möglich. Aber könnte es nicht auch sein, dass ihre männlichen Verwandten herausgefunden haben, dass O’Connell verheiratet war, und ihn um der Ehre willen beseitigt haben? Wenn ja, ist es denkbar, dass sie ihr nichts davon gesagt haben.«
    »Daran habe ich gar nicht gedacht«, gab Grey zu. Er grübelte über dieser Idee nach, die ihm aus verschiedenen Gründen sehr gefiel. Sie lieferte eine wunderbare Erklärung für die physischen Todesumstände; nicht nur die Prügel, die O’Connell von mehreren Personen bezogen hatte, sondern auch die Heftigkeit des Absatzabdruckes - und wenn der Mord in der Nähe von Miss Stokes’ Wohnsitz
geschehen war, hatte man die Leiche natürlich in sicherer Entfernung loswerden müssen, womit auch der Transport nach dem Tod erklärt gewesen wäre.
    »Das ist gar keine dumme Idee, Harry. Kann ich Stubbs, Calvert und Jobbs haben, um mir bei den Ermittlungen zu helfen?«
    »Nehmt, wen Ihr wollt. Und natürlich haltet Ihr weiter nach Jack Byrd Ausschau.«
    »Ja.« Grey tauchte den Zeigefinger in die kleine Saucenpfütze, die das Einzige war, was sich noch auf dem Teller befand, und lutschte ihn sauber. »Ich bezweifle, dass wir viel davon haben werden, wenn wir den Scanlons weiter zu Leibe rücken, aber ich hätte nichts dagegen, etwas über seine nächsten Bekannten zu erfahren und darüber, wo sie wohl Samstagabend gewesen sind. Und schließlich - was ist mit diesem hypothetischen Auftraggeber?«
    Quarry blies die Luft aus seinen Wangen und seufzte tief.
    »Da habe ich etwas in die Wege geleitet - ich sag’s Euch später, wenn etwas dabei herauskommt. Unterdessen«, er schob seinen Stuhl zurück, erhob sich und strich sich die Krümel von der Weste, »muss ich zu einer Dinnergesellschaft.«
    »Sicher, dass Ihr noch Appetit habt?«, fragte Grey bissig.
    »Haha«, sagte Quarry, der sich jetzt die Perücke auf den Kopf setzte und sich niederbeugte, um in den Spiegel zu schauen, den er neben dem Schreibtisch an der Wand hängen hatte. »Ihr glaubt doch nicht, dass man bei einer Dinnergesellschaft etwas zu essen bekommt?«
    »Doch, diesen Eindruck hatte ich. Irre ich mich etwa?«

    »Nun, man bekommt etwas«, räumte Quarry ein, »aber erst nach Stunden. Nichts als ein Schlückchen Wein und kleine Toasthäppchen mit Kapern vor dem Dinner - davon würde nicht einmal ein Vogel satt.«
    »Was denn für ein Vogel?«, sagte Grey und betrachtete Quarrys muskulöses, aber massives Hinterteil. »Eine Riesentrappe?«
    »Möchtet Ihr vielleicht mit?« Quarry richtete sich auf und schlüpfte in seinen Rock. »Ist noch nicht zu spät.«
    »Ich danke Euch, nein.« Grey stand auf und reckte sich. Er spürte, wie jeder Knochen in seinem Rücken vor Anstrengung ächzte. »Ich gehe nach Hause, bevor ich verhungere.«

5
    Eine kleine Nachtmusik
    Es war längst dunkel, als Grey zum Haus seiner Mutter an der Jermyn Street zurückkehrte. Trotz seines Hungers hatte er sich absichtlich Zeit gelassen, da er weder seine Mutter noch Olivia zu sehen wünschte, bevor er seine Vorgehensweise in Bezug auf Joseph Trevelyan festgelegt hatte.
    Allerdings nicht spät genug. Zu seiner Bestürzung sah er in sämtlichen Fenstern helles Licht, und am Säuleneingang stand ein Dienstbote in Livree, der

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